Homo ludens aus Minnesota

Spielend durch die Spielstadt: Lilian Reuter und Joshua Johnson dokumentieren ihren Fortschritt auf der Homo-ludens-Geotour durch Soltau. Foto: ari

Soltau. Was macht man als Amerikaner, wenn man für ein paar Tage in Europa ist? Venedig, na klar. Und dann ab nach Deutschland, Hannover und Soltau besuchen. Really?

Für Joshua Johnson zählt die Niedersächsische Landeshauptstadt tatsächlich zu den reizvollsten Städten Europas, und auch das kleine Soltau ist ihm ein Hotspot. Dabei geht es ihm nicht um Wilhelm Busch, den Heide-Park oder die Heideblüte. Johnson ist vor allem im englischsprachigen Raum eine Größe in der quirligen Geocaching-Szene. Als Geocaching Vlogger bespielt er die gängigen sozialen Netzwerke und bringt es allein auf der Video-Plattform Youtube auf rund 142.000 Abonnenten. Und was Geocaching-Tourismus betrifft, hat sich die Region zu einem Anziehungspunkt gemausert. „Hannover ist die deutsche Geocaching-Hauptstadt“, sagt Lilian Reuter, die Johnson bei seinem Ausflug nach Soltau im Auftrag des Event-Unternehmens Geheimpunkt begleitet und als Übersetzerin unterstützt. Das Team von Geheimpunkt hat für die Stadt Soltau jene Homo-ludens-Geotour konzipiert, auf der der weitgereiste Gast aus dem Mittleren Westen der USA an diesem sonnigen Tag unterwegs sein wird.

Professionell ausgerüstet für die Internet-Story

Geocaching klingt modern, ist aber eigentlich ein alter Hut. Es ist die digitalisierte Variante der guten alten Schnitzeljagd. Anfangs über klobige GPS-Geräte, inzwischen dezent übers Smartphone lassen Teilnehmer sich zu Startpunkten von Entdeckungstouren navigieren. Die befinden sich wahlweise in der freien Natur, im städtischen Raum oder in zugänglichen Gebäuden. An der Station muss eine erste Aufgabe gelöst und eine Frage beantwortet werden. Danach erscheint die nächste Station und Aufgabe. Und immer so weiter, bis zum Ziel. Die Homo-ludens-Geotour beginnt im Erdgeschoss der Felto-Filzwelt, Johnson und seine Begleiterin machen sich vom Bahnhof auf den Weg dorthin. Der Geocaching-Influencer ist technisch gut ausgerüstet, hat neben dem obligatorischen Smartphone mit der installierten Spiel-App eine wuchtige Kamera und ein Stativ dabei. Sein Soltau-Besuch wird zur Internet-Story, die bald von Tausenden Fans angeklickt werden dürfte. Den Früchtetee gibt es in der Filzwelt heute gratis. Das eingetroffene Duo wird das kleine Museum ein bisschen weltberühmt machen. Da sollte man nicht knauserig sein.

Vor dem Beginn der Tour erzählt Johnson, wie er zu seinem Hobby kam. Es fing mit Familienausflügen an, denkt der 46-Jährige an die harmlosen Anfänge vor rund 16 Jahren zurück. Er und seine Kinder hätten einfach Spaß an den GPS-Schnitzeljagden gehabt, wie so viele andere auch. Der Papa vielleicht noch mehr als der Nachwuchs, so etwas soll es ja geben. Die Kinder wurden jedenfalls älter und entwickelten andere Interessen. „And Daddy still doing it“, lacht Johnson: Er blieb dran. Aus dem Hobby ist inzwischen eine Art zweiter Beruf geworden.

Johnson ist im Internet wohl vor allem so erfolgreich, weil er sich etwas Kindliches erhalten hat. Sein Enthusiasmus wirkt ansteckend, seine Videos verbreiten Stimmung und machen Lust, gleich loszuziehen und selbst ein paar Geocaches in der eigenen Nachbarschaft ausfindig zu machen. Denn es gibt sie fast überall, unsichtbar für Nichteingeweihte verstecken sie sich an den verrücktesten Orten. Laut Wikipedia soll es auf der ganzen Welt nur noch zwei Länder ganz ohne Geocaches geben: Nordkorea und Somalia.

Erkenntnisse über Soltau nimmt er mit in die Staaten

In der Felto-Filzwelt sind gleich mehrere Geocaches verborgen, natürlich knackt Johnson sie alle und lernt dabei unter anderem, was eine Heidschnucke ist, eine „German grey heath“. Spielerisch zu lernen ist das Konzept hinter dem Modell des „Homo ludens“, das davon ausgeht, dass der Mensch sich seine kulturellen Fähigkeiten vor allem durchs Spielen angeeignet hat. Etwa so, wie die junge Katze mit dem Wollknäuel Jagdtechniken einübt. Johnson wird am Ende der Homo-ludens-Geotour vermutlich nicht wissen, wie man Mäuse fängt. Aber Erkenntnisse über die Lüneburger Heide, die Stadtgeschichte Soltaus und historische Spielzeuge wird er mitnehmen, wenn er zurück in die Staaten fliegt. Und einiges davon vielleicht spielerisch an seine große Fan-Community weitergeben – sobald sein Soltau-Video online geht, was aber noch eine Weile dauern wird. Der Profi überlässt nämlich nichts dem Zufall. Johnson bearbeitet seine Filmsequenzen sorgfältig, bevor sie online gehen.