Bürgermeister übergibt Resolution persönlich

Post für den Landkreis: An „Herrn Landrat Grote“ adressiert ist der Brief mit 535 Unterschriften, den Bispingens Bürgermeister Dr. Jens Bülthuis (rechts) in der Einwohnerfrage übergibt. In der Mitte Kreistagsvorsitzende Silke Thorey-Elbers. Foto: vo

Der Bürgermeister als Bürger und Bote. Die Einwohnerfragestunde zu Beginn der Kreistagssitzung nutzte Bispingens Verwaltungschef Dr. Jens Bülthuis, um an den Landkreis als Verkehrsbehörde eine Resolution zu überbringen, die der Gemeinderat am Vortrag einstimmig beschlossen hatte. „Der Rat unterstützt die Petition und beschließt, einen Antrag zur Einrichtung einer Tempo-30-Zone an der Grund- und Oberschule Bispingen und im Ortskern von Bispingen beim Landkreis Heidekreis einzureichen.“

Dabei geht es um eine Initiative für Tempo 30 vor der Grund- und Oberschule, die mehrere Mütter gestartet haben („Mütter-Petition für Tempo 30 vor der Schule“, BZ vom 7. März). Ein entsprechender Antrag dazu liegt beim Landkreis vor. Bis Mitte Mai haben mehr als 500 Bispinger die Resolution unterschrieben.

Bei der Übergabe sagte Bülthuis, dass nach seiner Wahrnehmung der Landkreis Heidekreis, was die Anordnung von Tempo-30-Zonen innerorts insbesondere vor Schulen und Kitas betreffe, restriktiver handele als seine Nachbarlandkreise. Dabei gebe es einen Ermessensspielraum. Man würde sich wünschen sich, dass der zukünftig etwas mehr im Sinne der Antragsteller ausgeschöpft würde. Als Vorbild für Ermessensauslegung nennt Bülthuis gegenüber der Böhme-Zeitung die Situation in Südergellersen: „Das ist knapp hinter der Lüneburger Kreisgrenze. Da kommen viele Bispinger vorbei und können nicht verstehen, dass das bei uns nicht so möglich ist.“

Beim Landkreis verweist man auf die Gesetze. Rechtsgrundlage für die Tempo 30-Zonen sei Paragraf 45 Abs. 1c der Straßenverkehrsordnung (StVO), wonach Gemeinden dies für Wohngebiete festlegen können. Diese Zonen-Anordnung dürfe sich nicht auf klassifizierte Straßen – Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen – erstrecken. Die Töpinger Straße, um die es hier gehe, ist eine Landesstraße. Insofern sei dort eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h nach Abs. 9 des StVO-Paragrafen zu prüfen. Gemäß gültiger Erlasslage des Landes Niedersachsen ist in jedem Fall eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, „das heißt, es gibt keine Regelanordnung von Tempo 30 vor sensiblen Einrichtungen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass verkehrsbehördliche Anordnungen stets in Abstimmung mit der Polizei und dem Straßenbaulastträger erlassen werden.“

In diesem konkreten Fall sieht der Landkreis die Gemeinde am Zug: Ein Antrag für die Geschwindigkeitsbeschränkung in der Töpinger Straße vor der Schule liegt dem Heidekreis bereits vor und befinde sich noch in der Prüfung. Dazu seien laut Kreisrat Oliver Schulze zuletzt am 12. Juni die Gemeinde und die Schule vom Landkreis zur Stellungnahme aufgefordert worden. „Beide Stellungnahmen liegen uns aber bis heute nicht vor.“ Erst danach werde eine Entscheidung getroffen.

Mit seiner Kritik am Landkreis, der in seiner Zuständigkeit als Verkehrsbehörde bei der Festlegung von 30 km/h-Geschwindigkeitsbegrenzungen nach seinem Dafürhalten den „Ermessensspielraum pro Tempobeschränkung“ nicht ausnutzt, steht Bispingens Bürgermeister Bürgermeister Dr. Jens Bülthuis nicht allein. Bei der Übergabe einer einstimmig vom Gemeinderat beschlossenen Resolution an Landrat Jens Grote, in der ein 30er-Tempolimit auf einem Teilstück der Töpinger Straße vor der Schule und in der Bispinger Ortsmitte gefordert wird, hatte Bülthuis das moniert.

Seine Schneverdinger Amtskollegin teilt die Kritik. Das gelte für weitere Bürgermeister, so Meike Moog-Steffens, auch für die Heideblütenstadt. Da habe es vor einiger Zeit ein Gespräch mehrerer Verwaltungschefs mit dem Landkreis gegeben, das aus Sicht der Kommunen nicht zufriedenstellend gewesen sei.

Gegebenenfalls auch ein Klageverfahren

Auch Schneverdingen sei in der Vergangenheit mit entsprechenden Anträgen gescheitert. Am drängendsten im Stadtgebiet sei eine derartige Lösung im Bereich der unmittelbar an der vielbefahrenen Schneverdinger Straße, der Landesstraße 170, gelegenen Kita in der Ortsmitte von Heber. „Wir hatten für Heber vor längerer Zeit schon einmal einen Antrag gestellt, der abgelehnt worden ist“, so Moog-Steffens. Doch da werde man am Ball bleiben. „Den Antrag auf Einrichtung einer 30-km/h-Reduzierung vor der Kita in Heber müssen wir noch aktualisieren und einreichen.“ Und wenn das wieder nichts wird? „Bei einem Negativbescheid durch den Landkreis Heidekreis werden wir in diesem Fall in das Klageverfahren gehen“, kündigt sie an.
Allerdings macht die Bürgermeisterin ihren Standpunkt deutlich, wonach der Schwarze Peter aus Sicht der Kommunen nicht nur beim Landkreis zu suchen sei, „auch die Polizei und Straßenbaubehörden müssen da mitspielen“.

Den Vorwurf, man nutze bei der Festlegung von Geschwindigkeitsbeschränkungen den eingeräumten Handlungsspielraum nicht aus, weist Erster Kreisrat Oliver Schulze zurück. „Die rechtlichen Grundlagen für dieses Vorgehen gelten niedersachsenweit, insofern geht der Heidekreis davon aus, dass andere Verkehrsbehörden entsprechend verfahren.“ Für die Wohngebiete habe die Gemeinde Bispingen bereits im Jahr 2022 eine verkehrsbehördliche Anordnung für Tempo-30-Zonen erhalten. „Diese sind aber weitestgehend bis heute nicht umgesetzt“, so Schulze. Und weist schließlich darauf hin, dass sich derzeit das Straßenverkehrsgesetz in der parlamentarischen Beratung befindet. „Der Heidekreis würde es in diesem Zusammenhang sehr begrüßen, wenn damit gewisse Erleichterungen bei der Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen insbesondere vor sensiblen Einrichtungen einhergingen.“