Jugendliche stehen wieder häufiger vor dem Richter

Weiteren Zuwachs in Papierform wird das Grundbucharchiv des Amtsgerichts Soltau nicht bekommen. Alle künftigen Akten werden nun digital erfasst, erklären Carsten Springer (von links), Dirk Ladage und Robin Döpke. Foto: at

Die Befürchtung, dass nach der Coronazeit die Zahl der Strafverhandlungen im Amtsgericht Soltau wieder zunehmen wird, hat sich nicht bestätigt. Die Gesamtzahl der strafrechtlichen Verfahren blieb zumindest im vergangenen Jahr konstant, wie Amtsgerichtsdirektor Carsten Springer und sein Stellvertreter Dirk Ladage bei einem Bilanzgespräch erläuterten.

Per Strafbefehl wurden 2023 435 Urteile gesprochen, im Jahr zuvor waren es noch 453. Gleichzeitig stiegen die allgemeinen Strafsachen, die im Gerichtssaal verhandelt wurden, von 223 auf 231 Fälle an.

Deutlich nach oben gesprungen sind die Schöffengerichtssitzungen gleich um 17 Prozent. In absoluten Zahlen sind es nur sieben Verhandlungen mehr, 2023 damit 48, zu dem ein Schöffengericht gefragt war.

Etwas anders sieht es bei den Strafsachen bei Jugendlichen aus. Dort registrierte Jugendrichter Ladage einen deutlichen Anstieg. Man sei wieder bei den Zahlen der Vor-Coronazeit. 137 Fälle stehen in der Bilanz, 2022 waren es 90. Allerdings, so der Richter, gebe es in den letzten zehn Jahren einen stetigen Rückgang. 2013 wurden noch rund 200 Verfahren verhandelt.

Vermehrt sind Jugendliche auch als Täter zu sexualisierter Gewalt geführt. Dass das auf Nichtwissen zurückzuführen sei, wenn man etwa Bilder mit kinderpornografischem Inhalt teile, wies Ladage zurück. Die Jugendlichen seien in den Schulen sehr gut aufgeklärt, wüssten, was Recht am eigenen Bild bedeute.

An anderer Stelle hätten sich aber Verschiebungen bei Straftaten ergeben. Heute werde würden weniger junge Menschen beim Schwarzfahren mit dem Mofa erwischt, dafür häufiger beim E-Rollerfahren ohne Versicherung. Das Jugendschöffengericht hatte etwas weniger zu tun: 31 Fälle wurden dort 2022 verhandelt, im vergangenen Jahr waren es 20.

Zugenommen hätten die Fälle im Zuge der Ermittlungsrichtertätigkeit von 148 im Jahr 2022 auf 160 Verfahren 2023. Dem Ermittlungsrichter obliegt unter anderem die Kontrolle der Ermittlungshandlungen beispielsweise bei der Staatsanwaltschaft. Zudem kann er bestimmte Zwangsmaßnahmen anordnen: So war das Gericht im vergangenen Jahr bei 15 Haftsachen gefragt, 2022 waren es sieben.

Acht Richterinnen und Richter am Amtsgericht Soltau

Insgesamt arbeiten am Amtsgericht Soltau acht Richterinnen und Richter, zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Rechtspflege sowie 22 im mittleren Dienst und vier als Gerichtsvollzug beschäftigt. Zudem sind am Amtsgericht fünf Wachtmeister tätig und es werden fünf junge Leute ausgebildet. Entsprechend groß ist der Umfang an Verfahren, die bearbeitet werden.

2023 gab es fünf Nachbarschaftsstreitigkeiten – wie im Jahr zuvor – sowie 128 Verhandlungen zu Mietsachen (2022: 106), über Verkehrsunfälle stritt man in 61 Fällen (62). Einen Anstieg gab es bei Scheidungen. Im Norden des Landkreises ließen sich 146 Paare scheiden (2022: 132).

Dennoch wurden nur 23 Unterhaltsverfahren registriert (2022: 24). 2020 zählte das Amtsgericht noch 52 Verfahren. Einen Rückgang gab es so auch beim Sorge- und Umgangsrecht mit 112 Fällen (2022: 157). Möglicherweise könne man sich um Unterhalt und Sorgerecht inzwischen im Vorfeld besser einigen – trotz Zunahme der Scheidungen, so Springer.

Weiterhin auf niedrigem Niveau werden Ordnungskeitswidrigkeiten verhandelt, weil der Landkreis noch nicht wieder auf der Autobahn 7 die Geschwindigkeit kontrolliert. Die Kreisverwaltung hatte die Messungen einstellen müssen, weil die Technik als nicht gerichtsfest eingestuft worden war.

Auf den sonstigen Straßen im Heidekreis ist der Kreis, aber auch die Polizei dennoch den Rasern auf der Spur: So wurden im vergangenen Jahr 665 Verfahren am Amtsgericht registriert (2022: 539). Ein Fall blieb Richter Springer im Gedächtnis: Ein Betroffener wehrte sich gegen die Strafe, die er aufgebrummt bekommen sollte, weil er mit mehr als 100 Stundenkilometern außerorts unterwegs war. Er argumentierte damit, dass die entsprechenden Schilder nicht aufgestellt gewesen seien. „Und er war Rechtsanwalt.“

Leicht rückläufig sind die Fälle von Betreuungssachen von 1243 im Jahr 2022 auf 1210 im vergangenen Jahr. Ebenfalls Sache des Amtsgerichts sind Nachlassentscheidungen. Da waren die Mitarbeiter in 1161 Fällen gefragt (1170), bei Zwangsversteigerungen in 23 Fällen (22). Zu Letzterem gebe es in diesem Jahr bereits einen starken Anstieg. Schon jetzt wurden 14 Verfahren geführt. Woran das liegt? Möglicherweise könnten Wirtschaftslage und Zinsentwicklung eine Rolle spielen, so Springer.

Ab Herbst wird am Amtsgericht auch bei Zivilsachen die elektronische Akte eingeführt. „Dann sind wir nur noch ohne Papier unterwegs.“ Die Einführung sei mit einem Mehraufwand verbunden, erklärt Geschäftsleiter Robin Röpke. Mittelfristig werde der Betrieb so aber vereinfacht.

Seit Oktober 2023 gebe es zudem die elektronische Grundakte. Eingeführt wurde sie in Soltau als erstem Amtsgericht im Bezirk Lüneburg. Die Grundbücherselbst seien bereits digital aufgestellt, jetzt gehe es um die zugehörigen Akten. Rund 30000 Grundbücher werden beim Amtsgericht gepflegt. „Das ist eine immense Arbeitserleichterung.“

Von Straf- bis Zivilsachen

Die Amtsgerichte sind für Verbrechen zuständig, für die gesetzlich mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe vorgesehen ist und für alle anderen Straftaten. Dabei gibt es bei den Amtsgerichten unterschiedliche sogenannte Spruchkörper: den Strafrichter als Einzelrichter, der Urteile bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe fällen kann, und das Schöffengericht, bei denen Verbrechen und Vergehen mit mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe zu erwarten sind.

Auch dieses darf bis zu vier Jahre Freiheitsstrafe verhängen. Das Schöffengericht besteht aus zwei Schöffen, also ehrenamtlichen Richtern, und einem Berufsrichter. Bei der Urteilsfindung haben die Schöffen die gleichen Rechte wie der Berufsrichter.

Typische Fälle vor einem Schöffengericht betreffen räuberischen Diebstahl, Einbruchsdiebstahl, vorsätzliche Brandstiftung oder Sexualdelikte. Zudem gibt es am Amtsgericht das Jugendgericht, zuständig ist es zudem für Ordnungswidrigkeitenverfahren, rechtliche Streitigkeiten zwischen Bürgern untereinander und Zwangsvollstreckungen, aber auch für die Freiwillige Gerichtsbarkeit zuständig.

Dazu gehört das Familienrecht und Betreuungsfälle. Zudem führen die Amtsgerichte unter anderem das Grundbuch und ist als Nachlassgericht gefordert. bz Jugendliche stehen wieder häufiger vor dem Richter