Die feuerrote Macht
Streit, Vorwürfe, Machtkämpfe und Rücktritte: Wenn das Vertrauen zwischen Verwaltungen und Feuerwehren zerstört ist, geraten ganze Kommunen ins Straucheln. Das ist der Preis für ein auf ehrenamtliches Engagement aufgebautes Brandschutzsystem im ländlichen Raum. Während bei der Bahn, in Kitas und anderen hauptamtlich organisierten Bereichen der Daseinsfürsorge Tarife und Arbeitsbedingungen überregional ausgehandelt werden und im Konfliktfall eingeübte Mechanismen wie das Streikrecht greifen, basiert das Ehrenamt auf Vertrauen, Freiwilligkeit und intrinsischer Motivation. Dinge, die gepflegt werden müssen und sich schwer wieder herstellen lassen, wenn sie einmal verloren gegangen sind.
Weil funktionierende Feuerwehren für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung existenziell wichtig sind, führen Zweifel an ihrer Handlungsfähigkeit schnell in die lokalpolitische Krise. Die Feuerwehr hat Macht. Ihre Vertreter sind in der Regel hoch angesehen und können Verwaltung und Politik effektiv unter Stress setzen und auflaufen lassen, wenn ihnen der Kragen platzt. Das macht die Stadt Munster gerade durch, inklusive Abwahl- und Rücktrittsdiskussionen um Bürgermeister Ulf-Marcus Grube sowie der Spaltung der zuvor größten Fraktion im Stadtrat. Doch Munster ist nicht die einzige Gebietskörperschaft mit Feuerwehr-Problemen. Zwei Beispiele aus jüngster Vergangenheit zeigen, welche Dynamiken dabei entstehen.
„Streit zwischen Feuerwehrchef und Bürgermeister eskaliert“, titelte im vergangenen Jahr die Westfälischen Nachrichten. Eine Überschrift, die auch zu manchen Artikeln der Böhme-Zeitung aus diesem oder dem vergangenen Jahr passen würde. In der 10.000-Einwohner-Gemeinde Altenburg, nordwestlich von Münster im nordrhein-westfälischen Landkreis Steinfurt gelegen, lieferte sich der grüne Verwaltungschef Karl Reinke einen monatelangen, öffentlich ausgetragenen Dauerzwist mit dem Leiter der Feuerwehr seiner Gemeinde. Ausgangspunkt waren angebliche Falschbehauptungen während der Jahreshauptversammlung der Brandschützer. Der Bürgermeister sprach von Indiskretionen, in der Presse war von einem „Maulkorb“ für die Feuerwehr die Rede. Der Konflikt spitzte sich immer weiter zu, bis ein Rücktritt die Lage entschärfte. Der Feuerwehrchef warf entnervt das Handtuch, nach 34 Jahren Mitgliedschaft. In einer öffentlichen Erklärung dankte der Verwaltungschef pflichtschuldig für die geleistete Arbeit – und trat im gleichen Text mit einer Auflistung von Fehlern des Feuerwehrmannes kräftig nach. „Für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sind verlässliche Absprachen und interne gemeinschaftliche konstruktive Abstimmungsprozesse unerlässlich“, belehrte er den Unterlegenen. „Ein Austragen von unterschiedlichen Standpunkten im öffentlichen Raum ist nicht zielführend.“
Drei Tage ohne einsatzbereite Feuerwehr
Verglichen mit den Vorgängen im niedersächsischen Nordenham war der Konflikt im Münsterland allerdings nur ein laues Lüftchen. Die Stadt in der Wesermarsch stand im vergangenen Monat unvermittelt ohne effektiven Brandschutz da. Die gesamte Feuerwehrführung war zurückgetreten, und der Schritt hatte weitere Kreise nach sich gezogen. Viele Kameraden folgten den Führungsleuten. „Nach Rücktritt der Führung treten 150 Feuerwehrleute aus“, rechnet das Feuerwehr-Magazin am 8. März der Leserschaft vor. Hintergrund der Eskalation war ein Abwahlantrag aus Kreisen der Wehr, der im Rat Nordenham nicht die benötigte Mehrheit fand. Das Stadtkommando wollte mit dem Manöver einen in Ungnade gefallenen stellvertretenden Ortsbrandmeister loswerden und stand nun düpiert da. Drei Tage stand Nordenham „ohne einsatzbereite Feuerwehr da“, berichtet der NDR. Der ausgeübte Druck war enorm – und führte letztlich zum Erfolg, einem Triumph der Feuerwehrleute über die Ratspolitik. Im Eilverfahren erfüllte der Verwaltungsrat alle Forderungen und sorgte für die Entlassung des in den eigenen Reihen unbeliebten stellvertretenden Ortsbrandmeisters. „Nun geht es darum, dass wieder eine gemeinsame Vertrauensbasis geschaffen wird", wird Nordenhams Bürgermeister Nils Siemen im NDR zitiert. Eine Lektion dürfte der SPD-Mann gelernt haben: Wer im Machtpoker mit der Feuerwehr siegen will, muss ein verdammt gutes Blatt in der Hand haben.