Lautstarker Protest empfängt Teilnehmer des „Bürgerdialogs“

„Geschichte darf sich nicht wiederholen“, „Rassismus ist keine Alternative“ – diese und weitere Aussagen sind auf den Transparenten der Veranstaltung gegen den AfD-„Bürgerdialog“ zu lesen, zu der „Omas gegen Rechts“-Sprecherin Lore Seidel im Namen der Initiatoren begrüßt. Foto: vo

Der wichtigste Wunsch von Lore Seidel wird erfüllt: Die Kundgebung gegen die Veranstaltung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) am frühen Dienstagabend vor der Walsroder Stadthalle verläuft friedlich. Das im Hallenumfeld postierte Polizeiaufgebot braucht nicht einzugreifen.

Ihr eigentliches Ziel erreichen die Organisatoren jedoch nicht. Die Partei, der teilweise rechtsextremistische Tendenzen vorgeworfen werden, kann ihren sogenannten Bürgerdialog mit drei Mitgliedern ihrer Bundestagsfraktion durchführen. 90 Personen, überwiegend Männer, sind der per Handzettel verteilten Einladung zu der zweistündigen Veranstaltung gefolgt.

Lore Seidel ist Sprecherin der Initiative „Omas gegen Rechts“, eines kürzlich entstandenen „zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses“, der mit weiteren Gruppen zu der Gegenveranstaltung aufgerufen hat.

„Aus rechtlichen Gründen können wir die Veranstaltung nicht verhindern“, verweist Seidel auf die Gesetzeslage. Die besage nun einmal, dass man auch dieser Partei die Nutzung der öffentlichen Halle nicht verwehren könne. Aber man könne über die AfD mit ihren demokratiefeindlichen Aussagen und Zielen informieren, erklären, „weshalb sie Aufwind hat“. Viele Menschen seien unzufrieden mit der Regierung, in etlichen Punkten berechtigt, hätten Angst, wie es in Deutschland weitergehe. Aber, trotz aller Unzufriedenheit: „Die AfD ist keine Alternative“, so Seidels Kernbotschaft, die in den weiteren Reden, unter anderem vom Soltauer SPD-Vorsitzenden Birhat Kaçar sowie Mitorganisator Heinz-Dieter „Charly“ Braun, mehrfach wörtlich oder sinngemäß zu hören ist, auch für die am Halleneingang stehenden AfD-Gäste.

Angemeldet worden ist eine Kundgebung mit 100 Teilnehmern. Doch deutlich mehr sind gekommen, zwischen 270 und 300 Frauen und Männer aller Altersstufen, die ihrer Meinung zur AfD und zu allgemein rechtsextremistischen Entwicklungen mit Transparenten Ausdruck verleihen.

Die Stadt Walsrode hat den Organisatoren der Kundgebung einen Bereich unmittelbar vor der Stadthalle zur Verfügung gestellt. Die Grünfläche ist gut gefüllt. Nur getrennt durch Absperrgitter gehen die Besucher des „Bürgerdialogs“, nachdem sie den durch Polizeibeamte gesicherten Zugang passiert haben, einzeln oder in kleinen Gruppen an den Protestierenden vorbei und müssen sich auf dem Weg zum Halleneingang immer wieder Fragen zu ihren Beweggründen, Beschimpfungen, teilweise auch Beleidigungen sowie die Forderung „Nazis raus!“ anhören. Richtig laut werden die „Buh!“-Rufe, als der AfD-Kreistags- und Landtagsabgeordnete Alfred Dannenberg bei seinem Vorbeimarsch sichtlich guter Stimmung in Richtung der Menge grüßt.

„Peinlich“, „Ihr spinnt“, „Haut ab!“, ab und zu ein empörtes „Das ist ja mein Nachbar“ und immer wieder „Buh!“-Rufe oder die Forderung „Nazis raus!“. Das sowie teilweise heftige Beschimpfungen und Anwürfe müssen sich am Dienstagabend die Besucher der sogenannten AfD-Bürgerdialogs auf ihrem Weg in die Walsroder Stadthalle von Teilnehmern der Protestkundgebung anhören. Davon lassen sich jedoch die wenigsten beeindrucken, geben vielmehr sich demonstrativ selbstsicher. Ein Besucher der AfD-Veranstaltung spaziert sogar unbehelligt im Bundeswehr-Flecktarnanzug mit Stabsfeldwebel-Schulterstücken an der Protestfront vorbei.

„Gesprächsangebote“ werden nicht angenommen

Von Seiten der Protestierenden gibt es auch mehrfach Angebote für ein Gespräch. „Wollen Sie reden oder brauchen Sie Hilfe?“ Gesprächsangebote über Ziele der AfD und die von der Parteien ausgehende Gefahr für die demokratische Gesellschaft, die natürlich nicht angenommen werden. Bei den wenigen Dialogen über die Absperrung hinweg ist kein Austausch, schon gar keine Annäherung der Standpunkte erkennbar.

Etwa zwei Stunden habe die Parteiveranstaltung gedauert. Das hätten ihm seine Mitarbeiter berichtet, sagt Nils Fuhrhop am folgenden Tag. Er ist Betreiber der Stadthalle, war an dem Abend nicht selbst dort vor Ort, im Vorfeld aber mehrfach mit der Problematik konfrontiert. Fuhrhop berichtet von etwa einem Dutzend Mails, Posts über die sozialen Medien oder Gesprächen, wo er gefragt wurde, weshalb er die Räumlichkeiten für diese Veranstaltung zur Verfügung stelle. Der Ton sei stets sachlich gewesen. „Es hat keine Drohungen gegeben“, betont der Gastronom. Er habe immer deutlich gemacht, dass er keinen Spielraum habe. Die Stadt sei Eigentümerin der öffentlichen Lokalität und könne deren Nutzung nicht einer Partei untersagen, während andere zugelassen würden. Das hat auch die Walsroder Bürgermeisterin Helma Spöring vergangene Woche deutlich gemacht. Am 29. April wird die AfD dort voraussichtlich eine weitere Veranstaltung durchführen.

Mehrere Redner rufen am Dienstagabend zum anhaltenden Einsatz für Demokratie, Vielfalt und Toleranz auf. Sie wenden sich massiv gegen die vermeintliche „Alternative“, fordern „klare Kante gegen rechtsradikale und rechtsextremistische Positionen in unserer Gesellschaft“. Einer von ihnen ist Birhat Kaçar. Der Soltauer SPD-Ratsherr und Kreistagsabgeordnete sieht in der hohen Zahl von Kundgebungsteilnehmern, zwischen 270 und 300, ein „klares Zeichen“ für die Ablehnung in Walsrode. „Unsere Heide ist bunt“, so Kaçar, der „keinen Fußbreit dem Faschismus“ fordert.

Der DGB-Kreisvorsitzende Heinz-Dieter „Charly“ Braun, einer der Organisatoren, macht deutlich, dass „konsequentes und ausdauerndes Engagement, sehr breite Bündnisse und eine soziale Politik“ unverzichtbar seien, um rechten und rassistischen Tendenzen zu begegnen. Im Heidekreis habe man schon das Vordrängen einiger rechtsextremer und menschenfeindlicher Gruppierungen ausgebremst. „Das wird uns auch gegen die AfD und für eine soziale, ökologische, menschenfreundliche, demokratische Gesellschaft gelingen“, so Braun, der anmerkt, dass die Einladungen für den sogenannten Bürgerdialog nicht nur in Walsrode verteilt wurden. Den Beleg liefert eine Gruppe von Landwirten aus dem Soltauer Bereich, die vorbei an den Protestierenden auf dem Weg zur Veranstaltung in der Halle ist. Weshalb? „Wir wollen uns das mal anhören“, so eines ihrer Mitglieder.

Einige Vertreter ihrer Berufsgruppe sind dagegen auf der anderen Seite aktiv. Zwei Landwirte drehen im Kreisverkehrs vor der Zufahrt zur Stadthalle mehrere Runden mit ihren Traktoren, eines versehen mit der bereits bei den zurückliegenden Bauernprotesten zu lesenden Aussage „Landwirtschaft ist bunt, nicht braun“, bis ein Polizeibeamter die beiden freundlich auffordert, den Kreisel zu räumen, was die Angesprochenen auch anstandslos tun. Etwas später kehren sie zurück und drehen unter dem Beifall der Kundgebungsteilnehmer noch einige Runden.

Reinhard Vorwerk