Bitte nicht stören!
Die Zeiten von Distanz und Abstand sind größtenteils überwunden. Und doch haben Unternehmen, Praxen und Rathäuser von den Erfahrungen in der Corona-Zeit einiges gelernt. So ist im Eingangsbereich häufig Desinfektionsspray zu finden. Auch durchsichtige Plastikwände sollen die Ansteckungsgefahr kleinhalten. Was sich in der Pandemie-Phase ebenfalls bewährt hat, ist der geplante Besuch im Rathaus: „Bitte beachten Sie, dass der Zutritt zum Rathaus nur nach voriger Terminabsprache möglich ist!“ Diesen Appell richtet die Gemeindeverwaltung Bispingen seit Jahresbeginn auf der Homepage an die Bürgerinnen und Bürger, ohne dass die Pandemie dazu gezwungen hat. „Unser Bürgerservice wurde zum Jahresende so stark besucht, dass wir wieder zur Terminvergabe zurückgekehrt sind“, sagt Andreas Bünger, Allgemeiner Vertreter neben Bürgermeister Dr. Jens Bülthuis an der Verwaltungsspitze. Wer in Bispingen spontan ins Rathaus will, steht nun erstmal vor verschlossener Tür und muss klingeln. „Wir sind da“, sagt Bünger, „aber wir klären dann an der Tür, welches Anliegen erledigt werden soll.“ Entweder würde dann ein Termin vereinbart, oder es wird spontan geöffnet. Über die Terminvergabe könne die Arbeit besser gesteuert werden. Sonst sei es häufig zu Wartezeiten gekommen, Bürger hätten im Flur Platz genommen oder hätten die Sachbearbeiter in einem anderen Arbeitsprozess gestört. Zudem sei durch die Öffnungszeiten bei einigen Bürgern der Eindruck entstanden, dass dienstags und donnerstags nur bis 16 Uhr im Rathaus gearbeitet werde. Nun erfahren die Bürger, dass es durchaus auch noch um 18 Uhr einen Termin zur Erledigung des Anliegens gibt.
Bürger als Störenfriede
Mit buchstäblich verschlossenen Türen vollzieht Bispingen einen besonders harten Schritt vom voraussetzungslosen Bürgerbesuch während allgemeiner Öffnungszeiten zum strikten Terminzwang. Grundsätzlich folgt die Gemeinde damit aber nur etwas verspätet und besonders streng dem allgemeinen Trend. Der einfach so reinschneiende Einwohner ist in den Rathäusern und Bürgerämtern der Republik längst zum Störenfried geworden. Erwünscht ist der Bürger, der sich entweder online selbst behilft oder wenigstens gut vorbereitet zum im Voraus online gebuchten Zeitpunkt auf der Matte steht, mit allen notwendigen Unterlagen in der Tasche. „Jeder Kunde soll auf diese Weise möglichst zeitnah einen Wunschtermin zur Bearbeitung des individuellen Anliegens bekommen“, heißt es verheißungsvoll beim Bürgerbüro der Stadt Soltau, als sei alles nur ein zusätzlicher Service. Klare Ansage dagegen in Munster: „Bitte beachten Sie, dass das Bürgerbüro und die Fachgruppe Soziales neben Beratung am Telefon oder per eMail ausschließlich fest abgestimmte Termine anbieten.“ Das lässt wenig Interpretationsspielraum. Immerhin: Sowohl in Soltau als auch in Munster sind viele zeitnahe Termine buchbar. Wer seinen Hund anmelden, den Verlust von Ausweisdokumenten melden oder sein Lebendigsein bestätigen lassen möchte, kann dies noch im Februar erledigen.
Im Schneverdinger Rathaus sind die Abstandshalter im Eingangsbereich mittlerweile abgebaut. Nach Corona gibt es wieder ein offenes Haus, sagt Bürgermeisterin Meike Moog-Steffens. Und dennoch bittet die Kommunalverwaltung die Bürger um Terminvereinbarung, bevor sie mit ihrem Anliegen ins Rathaus kommen. „Es ist aber keine Verpflichtung“, sagt Erster Stadtrat Mark Söhnholz. Vielmehr sei es effizienter - sowohl für den Stadtbediensteten als auch für den Bürger. Das Anliegen kann per digitalem Kontaktformular geschildert werden, auch der Termin kann darüber selbst gewählt werden. Viele Bürger rufen aber dennoch lieber persönlich an, so die Erfahrung aus dem Schneverdinger Rathaus. Der persönliche Kontakt sei wichtig, weil darüber auch „die Nähe zum Staat“ erlebbar wäre. In Bispingen wird seit Februar ein neues digitales Terminmanagement-Programm erprobt, allerdings nur für die Rathausmitarbeiter. Telefonisch über die (05194) 3980 oder über eine Mailanfrage schildert der Bürger sein Anliegen, und die Sachbearbeiter schauen dann nach Aufwand und Zeitkapazitäten.
Im Fachbereich Soziales sei im vergangenen Jahr das sogenannte Front-Office eingeführt worden, schildert Moog-Steffens. Sie kenne diese Organisation auch aus der Soltauer Verwaltung. Danach wird das Anliegen von einem Mitarbeiter zentral aufgenommen. Entweder es gibt kurzfristig einen Termin. „Meistens müssen aber Unterlagen mitgebracht werden“, sagt Söhnholz. Um nicht doppelte Wege ins Rathaus zurücklegen zu müssen, empfiehlt sich die Klärung vorher. So könne sich der jeweilige Sachbearbeiter besser vorbereiten. Das Spektrum der Anliegen sei breit: ob den Reisepass oder Personalausweis verlängern, im Trauerfall Friedhofsangelegenheiten klären, den Hund anmelden. Als besonderen Service stellt Schneverdingen auch die Kfz-Anmeldung heraus, die die Kommune für den Landkreis übernehme. Dies sei für den Bürger eine Erleichterung. Auch Schwarmstedt und Munster übernehmen dies für den Landkreis. Darüber hinaus bietet das Schneverdinger Rathaus einmal im Monat über einen Versichertenältesten eine Rentenberatung an.
Holpriger Start der Kinderanmeldung per App
In Schneverdingen konnten Eltern ihre Kinder zu Jahresbeginn zum ersten Mal über eine App anmelden. Es sei noch etwas holprig gewesen, aber es habe sich schon zurechtgeruckelt. Die Stadtverwaltung erhoffe sich dadurch eine leichtere Verwaltung der Anmeldungen und Eltern-Wünsche. „Es macht Sinn“, sagt Moog-Steffens, „da wir dezentrale Träger haben.“ Die Stadt stellt zwar die Gebäude und Räumlichkeiten zur Verfügung, betreibt die Kinderbetreuung aber nicht selbst, sondern arbeiten mit Trägern wie der Lebenshilfe, der evangelischen Kirche oder dem DRK zusammen.
Digital unterwegs ist die Gemeinde Bispingen seit rund eineinhalb Jahren im Verbund mit dem Landkreis Heidekreis. Open Rathaus heißt die Plattform, die über die Gemeinde-Homepage erreichbar ist. Darüber kann der Bürger schon viele Anliegen direkt angehen. Weiß er konkret, was er will, geht er über die Rubrik Dienstleistungen. Ist er unsicher, kommt man der Zuständigkeit über die Lebenslagen auf die Spur. Häufig ist gar nicht klar, welche Behörde zuständig ist. Über eine Verlinkung wird der Nutzer direkt auf die Seite des Heidekreis geführt. Wer sich einmalig registriert, kann die Formulare digital ausfüllen. Ansonsten sind pdf-Dokumente hinterlegt. Insbesondere die Gewerbeanmeldungen werden laut Bünger gut angenommen. Häufig handele es sich um Unternehmer, die außerhalb wohnen, und deshalb den Service zu schätzen wüssten. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass bei beratungsintensiven Anliegen wie der Wohngeld- oder Bürgergeld-Beantragung das persönliche Gespräch wichtig ist. Mehrseitige Formulare können den Bürger erstmal überfordern. Da sei die Beratung des Rathausmitarbeiters wichtig. Zwölf Basisdienstleistungen seien mittlerweile von der Gemeinde Bispingen hinterlegt, so der Allgemeine Vertreter. Nach und nach sollen es noch mehr werden.