Klarheit bei CDU und SPD, die anderen suchen noch

Zwischen ihnen wird sich das Rennen um das Direktmandat im Bundestagswahlkreis 35 entscheiden: CDU-Kandidatin Vivian Tauschwitz, sie ist bereits gekürt, und SPD-Chef Lars Klingbeil, der noch offiziell nominiert werden muss. Montage: bz

Neben der Ursachenforschung, der Suche nach dem oder den Schuldigen für das vorzeitige Aus der Berliner Ampel-Koalition am Vortag, die, kaum überraschend, je nach der Zugehörigkeit zum politischen Lager unterschiedliche Schulzuweisungen brachte, standen am gestrigen Donnerstag bei den hiesigen Verantwortlichen der Parteien im Bundestagswahlkreis 35 Rotenburg I – Heidekreis personelle und organisatorische Überlegungen im Vordergrund. Jetzt gilt es, zügig die Weichen für die ursprünglich auf den 28. September 2025 terminierten und jetzt ins Frühjahr vorgezogene Bundestagwahl zu stellen. Erstimmenkandidaten müssen gewählt, überwiegend erst noch gefunden werden, Landeslisten sind aufzustellen. Da macht das Wahlgesetz Vorgaben und setzt Fristen, die strikt eingehalten werden müssen. Laut Ankündigung von Kanzler Olaf Scholz von Mittwochabend soll im März ein neuer Bundestag gewählt werden. Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, fordert dagegen einen Wahltag Mitte Januar.

CDU hat Tauschwitz bereits gekürt

Die CDU ist dabei zeitlich besser aufgestellt als die anderen Parteien. Die niedersächsischen Christdemokraten wollen ihre Landesliste für die Bundestagswahl am 23. November 2024 aufstellen. Und mit Vivian Tauschwitz hat die Union ihre Erststimmenkandidatin für den Wahlkreis 35 bereits vor knapp zwei Monaten gekürt. Am gestrigen Donnerstag beschäftigte sich die 30-jährige Berufssoldatin nach eigenen Angabe dienstlich mit Fragen der taktischen Verteidigung. Politisch hat sie aber bereits auf Attacke umgeswitcht, sieht sich und ihr Team nicht erst seit dieser Woche im Wahlkampfmodus: „Der Bruch der Ampel-Koalition ist ja nicht wirklich überraschend gekommen.“

Was die Frage des Wahltermins angeht, liegt die Bispingerin auf der Linie ihres Bundesvorsitzenden: „Je früher, desto besser.“ Sie stehe voll hinter dem Beschluss der CDU/CSU im Bundestag, dass Friedrich Merz den Bundeskanzler auffordern werde, spätestens nächste Woche die Vertrauensfrage zu stellen, damit die Wählerinnen und Wähler möglichst bald über die Zukunft des Landes entscheiden können, geht aber zurückhaltend von einem Wahltermin Termin „im ersten Quartal 2025“ aus. Dann sei höchste Zeit: Das Land brauche jetzt schnellstmöglich ein Reset, eine echte Veränderung der Politik. „Die Ampel ist endgültig am Ende – und dafür trägt Olaf Scholz die Hauptverantwortung. Er ist Teil des Problems, nicht der Lösung. Seine mangelnde Führung hat Deutschland in eine Rezession und in eine schwere Vertrauenskrise geführt.“

Klingbeil gesetzt, aber noch nicht nominiert

Das sieht ihr designierter SPD-Kontrahent Lars Klingbeil, dem Tauschwitz das Direktmandat abjagen möchte, natürlich anders. Gleich am Mittwochabend war der Munsteraner nach der Verkündung des Aus für die Ampelkoalition, an deren Zustandekommen 2021 Klingbeil maßgeblich beteiligt war, durch den Kanzler, auf mehreren Fernsehkanälen in seiner Funktion als SPD-Bundesvorsitzender ein gefragter Gesprächspartner, der Christian Lindner den Schwarzen Peter zuschob. Der FDP-Chef und Bis-dato-Finanzminister habe in den zurückliegenden Wochen bewusst auf ein Auseinanderbrechen des Dreierbündnisses hingearbeitet.

Derzeit ist Klingbeil als Bundesvorsitzender in Berlin gefordert und für Anfragen nicht erreichbar. In der kommenden Woche will er nach Angaben seines Abgeordnetenbüros seinen persönlichen Fahrplan und den seiner Partei für die kommenden Monate im Wahlkreis bei einem Pressetermin im Heidekreis vorstellen.

Dabei dürfte die Nominierung als Direktkandidat lediglich eine Formalie sein. Klingbeil, der seit 2009 ununterbrochen dem Bundestag angehört und den Wahlkreis zuletzt zweimal für die Sozialdemokraten geholt hat, ist als Kandidat gesetzt. Weitere Bewerber gebe es nicht, sagt der SPD-Kreisvorsitzende Sebastian Zinke. Zinke bezeichnet Scholz’ ungewöhnlich kämpferisches Statement am Mittwochabend im Fernsehen als einen Befreiungsschlag. „Ich war erfreut über die klaren Worte des Kanzlers“. Die hätten deutlich gemacht, „dass seine Geduld am Ende war“.

Keine Aussichten auf das Direktmandat

Die anderen Parteien sind noch auf der Suche nach ihren Kandidaten, die im Rennen um das Direktmandat allerdings chancenlos sein dürften. Die FDP hat zwar die Ampel vorzeitig scheitern lassen, als Handicap für den kommenden Wahlkampf will Kreisvorsitzender Andreas Reinert das aber nicht sehen. „Es gibt durchaus Zustimmung zum Bruch der Ampel.“ Die Partei ist bereits in den Vorbereitungen zum Wahlkampf. „Es gibt drei Bewerber für den Direktkandidaten, die dürfen sich in Kürze vorstellen“, berichtet Reinert. Im Dezember stehe der Aufstellungsparteitag an.

Der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen hat sich mit den aktuellen Entwicklungen am Mittwoch bei einer Vorstandssitzung konfrontiert gesehen. Ein Aufstellungsparteitag sei noch nicht terminiert, berichtet Kreis-Grünensprecher Alex Schmidt. „Wir haben schon Überlegungen zu möglichen Direktkandidaten, aber noch nichts Spruchreifes.“ Der Vorstand arbeite akut an einem Konzept und an einem Schlachtplan für den anstehenden Wahlkampf.

Dass es jetzt stressig wird, erwartet auch Carsten Vogel, Kreisvorsitzender der AfD. „Aber fürs Land ist es besser, vor allem für die Wirtschaft“, begrüßt Vogel das Ende der Ampel. Der Kreisverband müsse sich jetzt mit dem Kreisverband in Rotenburg abstimmen und wolle dann zeitnah einen Direktkandidaten nominieren. Vogel rechnet mit einem Wahltermin für den Bundestag Mitte März. Er gibt sich aber zuversichtlich, dass die Partei auch schneller agieren könne, wenn es darauf ankomme.

Kommt der Wahltermin bereits im Januar, haben zumindest die Freien Wähler nichts zu lachen. Die Partei sitzt in verschiedenen Landesparlamenten und regiert in Bayern mit. Ein Wahltermin im Januar wäre ungünstig. „Für uns fällt dann Weihnachten aus“, sagt Kreisvorsitzender Ulrich von Behr. Bislang war man im Landesverband noch mit Interna beschäftigt, hat gerade erst einen neuen Landesvorstand gewählt, am 16. November sei Bundesparteitag.

Bei der Partei Die Linke rechnet man mit einem Wahltermin frühestens zum 9. März. „Die Aufstellung ist noch offen“, sagt Kreisvorsitzender Wolfgang Haack, zwingend sei die Benennung eines Direktkandidaten nicht. Wenn, dann wolle man aber einen Kandidaten auch direkt aus dem Heidekreis nominieren, „jemanden, der hier auch verankert ist“. Die entsprechende Kreismitgliederversammlung finde frühestens im Dezember statt.