Urteil wegen Mordes statt Totschlags
Nun war es doch Mord. Nach der erfolgreichen Revision der Nebenklage ist gestern ein 36 Jahre alter Angeklagte in einem neu aufgerollten Prozess am Landgericht Verden wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Bulgare hatte gestanden, seine ehemalige Lebensgefährtin am 10. August 2022 in Bad Fallingbostel vor den Augen des gemeinsamen Sohnes erstochen zu haben – dies aber als Notwehr dargestellt. Bei rund 20 Messerstichen wurde ihm dies nicht geglaubt.
Gemeinsam mit dem zum Tatzeitpunkt zwei Jahre alten Sohn war das Paar im Spätsommer 2021 nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten. Die Mutter der Frau wohnte bereits in Bad Fallingbostel. Zu viert teilten sie sich bis Dezember 2023 eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus am Goethering. Dann setzte die 24-Jährige ihren Partner vor die Tür.
Trennung, Rauswurf, kein Kontakt mehr zum Sohn, soweit glaubten die Richter seinen Schilderungen. Von einer konflikthaften Beziehung sprach die Vorsitzende in der Urteilsbegründung. Gewalt des späteren Opfers gegenüber dem Mann habe es gegeben. „Sie war ihm körperlich überlegen.“
„In der Folge äußerte er Tötungsabsichten“, stelle sie fest. Seit Mitte Juli habe er sich täglich damit befasst und sei dann, ohne dass es jemand bemerkt hatte, in die leerstehende Wohnung auf der selben Etage eingebrochen. „Er fasste den Entschluss, sie zu töten.“ Am Tattag habe er erst die 24-Jährige, ihren neuen Freund und das Kind beim Verlassen des Hauses beobachtet. Gegen 12 Uhr kehrten sie ohne den Freund zurück. Als sich Frau und Kind vor deren Wohnungstür im Hochparterre befanden, habe er seine Tür geöffnet und „sofort“ auf die 24-Jährige eingestochen. Reizgas habe das Opfer eingesetzt, aber nicht sein Gesicht getroffen.
„Sie schaffte es, die Treppe runter zu nehmen und das Haus zu verlassen, wohin er ihr folgte.“ Dort führte er laut Zeugen weitere Stiche aus. Eine Notärztin konnte nur noch den Tod der jungen Mutter feststellten. Der zunächst flüchtige Täter wurde am Folgetag festgenommen. „Er hat immer wieder angekündigt, er wolle sie töten.“ Auch das Messer als Tatwaffe habe er im Vorfeld benannt. „Es spricht dafür, dass die Ankündigung ernst gemeint war.“ Handlungsleitend war zur Überzeugung der Kammer seine Verzweiflung über den fehlenden Kontakt zum Sohn.
In dem ersten Urteil vom 6. März 2023 wurde das Opfer, wegen der in der Wohnung installierten Kameras und des mitgeführten Reizgases, nicht als arglos angesehen und der Angeklagte deshalb nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil im Mai 2024 aufgehoben.
Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers herausgestellt
Im zweiten Prozess wurde die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers im Hausflur festgestellt. „Die Kammer ist überzeugt, dass sie nichts von seinem Aufenthalt in der Wohnung wusste und sich sicher gefühlt hat“, hieß es in der Begründung. Dies hätte sie sonst in einem Gewaltschutzverfahren gemeldet.
Der Verteidiger hatte Freispruch beantragt. Auf Mord und nicht auf Totschlag plädierte dieses Mal auch die Staatsanwaltschaft. Für den Nebenklagevertreter stand dies schon im ersten Prozess fest. Den Eltern der Frau wurden gestern 20 000 Euro zugesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. wib