Jäger sollen nicht mehr auf Katzen schießen
Die Jägerschaft ist alarmiert. Auf einer ihrer Sitzungen im Heidekreis ging es jüngst um ein von Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte vorgelegtes Positionspapier. Die Grünen-Politikerin und ihre Partei wollen das Landesjagdrecht verschärfen.
Ganz überraschend kommt das nicht: Die rot-grüne Landesregierung hat versprochen, den Tierschutz zu stärken. „Wir wollen diesem Thema in unserem politischen Handeln mehr Gewicht verleihen“, steht im Koalitionsvertrag. Eines der Felder, auf denen den Worten Taten folgen sollen, ist die Jagd. „Den Abschuss von Katzen und Hunden wollen wir beenden“, haben die Koalitionäre sich vorgenommen, und weiter: „Die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren muss verboten und Alternativen müssen entwickelt werden.“
Die Grünen haben ihr Papier dem Präsidium der Landesjägerschaft vorgelegt. Dort stieß es auf wenig Begeisterung. Vorgesehen sind weitreichende Änderungen im Landesjagdgesetz. Neben dem Verbot von Haustier-Abschüssen und des Einsatzes lebender Tiere in der Hundeausbildung geht es etwa um das Aus für Totschlagfallen und die Jagd auf Raubwild an Naturbauten sowie die Streichung von Nutrias aus der Liste jagdbarer Arten und die Abschaffung von Hegeschauen und Jagdgehegen.
„Bei Katzen muss viel mehr getan werden“
Thomas Brammer zeigt sich verärgert. „Das ist ideologische Politik ohne Augenmaß“, schimpft der Kreisjägermeister und bemängelt mangelnde Bereitschaft zum Gespräch mit Akteuren, die sich vor Ort den konkreten Herausforderungen stellen. Das gelte auch für das sensible Thema des Abschusses von Hauskatzen. Dass diese Forderung nach einem Verbot populär sein dürfte, räumt Brammer ein. Die Diskussion verlaufe emotionalisiert, auch in den sozialen Medien. „Natürlich ist es schlimm, wenn die eigene Katze erschossen wird.“ Wahr sei aber auch, dass das beliebteste Haustier der Deutschen in der Natur große Schäden anrichte. „In Niedersachsen gibt es 200.000 streunende Katzen“, verdeutlicht Brammer anhand einer Schätzung des Landestierschutzverbands die Größe des Problems. Bundesweit sollen es zwei Millionen Tiere sein, fast alle unterernährt und krank.
Verwilderte Katzen stellen eine Gefahr für Kleinsäuger und Vögel dar, zudem können sie sich mit Wildkatzen paaren und dadurch den Genpool der geschützten Art, die sich gerade wieder im Heidekreis ansiedelt, gefährden. „Bei Katzen muss viel mehr getan werden“, fordert Brammer, „auch sie sind eine invasive Art". Dass das Problem allein durch aufwendige und teure Kastrationen zu lösen sei, glaube er nicht. Dafür sei die Zahl eingefangener und kastrierter Tiere zu gering.
Nach geltendem Recht dürfen wildernde Hauskatzen in Niedersachsen geschossen werden, wenn sie sich mehr als 300 Meter vom nächsten bewohnten Haus entfernt in einem Jagdrevier aufhalten. Auch Hunde dürfen geschossen werden, das spielt in der Praxis aber kaum eine Rolle.
Die letzte Reform des niedersächsischen Jagdrechts liegt noch nicht lange zurück. 2022 billigte das Landesparlament mit überwältigender Mehrheit eine Novelle des Jagdgesetzes. Damit gelangte eine jahrelange kontroverse Debatte zu einem Abschluss. Allerdings wohl nur vorläufig, wie sich jetzt abzeichnet. Die Grünen stimmten vor zwei Jahren als einzige Fraktion gegen die Reform und sehen jetzt ihre Chance, gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner SPD eigene Vorstellungen umzusetzen. Es gehe ihr um „eine an ökologischen und zeitgemäßen wildbiologischen Kriterien orientierte und ethisch vertretbare Jagd“, lässt die Partei wissen.
Was gut klingt, kommt bei großen Teilen der Jägerschaft im Land gar nicht gut an. Das lässt sich an Reaktionen im Internet ablesen. Auch die Jägerschaft im Heidekreis hadert mit den Plänen der Regierungspartei. Kreisjägermeister Brammer berichtet von steigendem Frust in seiner Zunft. So kurz nach der einen Novelle solle schon die zweite folgen, konstatiert Brammer. „Da fehlt es an Planungssicherheit und Verlässlichkeit“, bemängelt der Dorfmarker. Auch sei die im Koalitionsvertrag gegebene Zusage gebrochen worden, das Jagdgesetz „im Dialog mit der Jägerschaft“ zu überprüfen. Stattdessen preschten die Grünen vor.
Neben dieser übergeordneten Stilkritik stört der Jagdlobbyist sich aber vor allem an verschiedenen konkreten inhaltlichen Punkte im Positionspapier der ressortzuständigen Grünen-Landesministerin Miriam Staudte. Zum Beispiel am Vorhaben, die ursprünglich in Südamerika heimischen Nutrias aus der Liste des jagdbaren Niederwilds zu streichen. Die putzig-pummeligen Nager seien nicht so harmlos, wie sie aussehen mögen. Die Tiere verursachen immense Deichschäden, sagt Brammer und rät den Kritikern der Nutriabejagung, das Gespräch mit den Deichverbänden zu suchen. Nutrias vermehren sich unter den hiesigen Lebensbedingungen schnell, auch im Heidekreis breitet sich die invasive Art massiv aus, „bis in den letzten Teich“, wie es Brammer ausdrückt. Bestandsregulierung sei unumgänglich und müsste im Falle einer Streichung der Art aus der Liste jagdbarer Tiere wohl im Rahmen kommunaler Schädlingsbekämpfung erfolgen. „Da kann man sich nur an den Kopf fassen“, schimpft der Kreisjägermeister.
Hundetraining mit lebenden Füchsen, Sauen und Enten
Offener zeigt Brammer sich für das Verbot von Totschlagfallen. Die seien nicht selektiv genug und könnten weg, so sein Urteil. Keinesfalls entbehrlich sei dagegen die Jagdhundeschulung am lebenden Tier, beharrt er auf Schliefenanlagen, Saugatter und flugunfähig gemachte Enten auf der Schwimmspur. Irgendwann in ihrer Ausbildung müssten Jagdhunde nun einmal den tatsächlichen Kontakt mit Wildtieren und ihren Reaktionen erlernen. „Sonst können wir die Hundeschulung praktisch einstellen“, sagt Brammer und warnt vor weitreichenden Konsequenzen: „Ohne brauchbare Hunde keine Niederwildjagd.“
Es gebe allerdings Unterschiede in der Relevanz der einzelnen Trainingsmethoden. Schliefenanlagen seien „schon ein sehr spezielles Thema“, lässt der Kreisjägermeister durchblicken, dass künstlich angelegte Fuchsbaue, in denen ein zahmer, lebender Fuchs im Käfig hockt und vom jungen Jagdhund aufgespürt werden soll, nur für eine kleinere Zahl von Jägern Bedeutung haben. Gleichzeitig stehen die versteckten Anlagen, in denen Füchse am natürlichen Fluchtverhalten gehindert sind und laut Meinung von Tierschützern Todesängste durchleiden, besonders in der Kritik. Die Tierrechtsorganisation Peta spricht von rechtswidrig betriebenen „Fuchs-Folterkammern“ und stellte vor rund zwei Jahren Strafanzeigen, unter anderem gegen eine angebliche Anlage im südlichen Heidekreis.
Diese scheint aber schon seit vielen Jahren nicht mehr in Betrieb zu sein. Auch dem Kreisjägermeister ist nichts von einer aktiven Schliefenanlage im Kreisgebiet bekannt.
Relevanter als Füchse seien für die Hundeausbildung lebende Wildsauen und Enten. Saugatter ermöglichen es Junghunden, gefährliches Schwarzwild unter sicheren Bedingungen kennenzulernen. Im Heidekreis existiert kein solches Gatter, hiesige Jägerinnen und Jäger können ihre Hunde aber an einem Gatter in Celle trainieren. Dort sei auch Ministerin Staudte kürzlich zu Besuch gewesen, berichtet Brammer. Dabei habe sie angedeutet, beim Thema Saugatter kompromissbereiter zu sein als bei den Schliefenanlagen. Brammer hofft, dass womöglich auch die Forderung nach einem Verbot des Einsatzes von Wasservögeln noch einmal überdacht wird und das Arbeiten auf der Schwimmspur mit lebenden Enten in Niedersachsen möglich bleibe. Dabei werden vorübergehend flugunfähig gemachte Enten aufs Wasser gesetzt, um eine Schwimmspur zu erzeugen, die der Hund aufzunehmen hat.
Doch ob es so kommen wird, scheint fraglich. Das Vorgehen ist tierschutzrechtlich höchst umstritten und in RheinlandPfalz und Hessen sowie Frankreich, Luxemburg und der Schweiz bereits verboten.
Keinesfalls verzichten wolle die örtliche Jägerschaft auf ihre Hegeschauen, macht Brammer deutlich. Diese stellten auch einen wichtigen Teil der Öffentlichkeitsarbeit dar. „In manchen Landkreisen wurden sie abgeschafft, aber wir wollen gerne weiterhin zeigen, was wir gejagt haben.“ In diesem Punkt wisse er sich einig mit Landrat Jens Grote. Schade fände der Kreisjägermeister außerdem, wenn Niedersachsen sich perspektivisch von Jagdgehegen verabschieden würde. Im Heidekreis wäre davon das Mufflongehege in Munster betroffen. Als einziges Naherholungsgebiet in der von militärischen Sperrflächen umgebenen Stadt habe dieses eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Bevölkerung.