Sozialkompetenz, so wichtig wie Mathe
Laut Gesetz haben die Schulen in Niedersachsen zwei Aufgaben: bilden und erziehen. Von Haus aus seien die Gymnasien schon immer gut in ihrem Bildungsauftrag, sagt Soltaus Schulleiter Volker Wrigge. Seit zwei Jahren punkte das Gymnasium auch stark beim Erziehungsauftrag, agiere statt reagiere, um Probleme erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Das gute Ankommen steht zunächst im Mittelpunkt
Ein ambitioniertes Ziel, das die Schule nicht allein stemmt. 2021 hat sie mit dem Trägerunternehmen des Soltauer Jugendzentrums eine Vereinbarung abgeschlossen. Generation Z mit Carina Zottl an der Spitze hat die Sozialarbeit übernommen. Zunächst stand das gute Ankommen im Übergang von der Grundschule zum Gymnasium im Mittelpunkt. Inzwischen denken die Erziehungswissenschaftler und Pädagogen weiter. Sie setzen bei den Jüngsten auf Coolness, auf die Stärkung jedes einzelnen Kindes, um auch beim Gruppendruck eine eigene Meinung zu behalten. So soll das Gelernte künftig alle Kinder und Jugendliche bis zum Abitur begleiten.
Dass die enge Verzahnung sich auch positiv auf den Unterricht auswirkt, habe die Mitarbeiterbefragung, die alle fünf Jahre stattfindet, ergeben, sagt Schulleiter Wrigge. Insbesondere als sehr gut sei die Zusammenarbeit mit dem Youze bewertet worden, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun Hilfe in den Klassen böten und zudem Anlaufstelle bei Problemen seien.
Ein Lob hat die Schule mittlerweile für ihre Arbeit auch von höchster Stelle bekommen. Das Kultusministerium mit Ministerin Julia Willi Hamburg (Grüne) hat die Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendzentrum gewürdigt. Allerdings: Landesmittel für Schulsozialarbeit stünden in Zeiten knapper Kassen dafür noch immer nicht zur Verfügung. Das Gymnasium finanziert die zusätzlichen Aufgaben noch aus eigenen Mitteln – unter anderem noch aus der Coronazeit. 2024 laufen diese Förderungen aus. Dennoch ist Wrigge optimistisch, das Angebot aufrechterhalten zu können. Ihm sei auch nicht an einer konkreten Stelle gelegen, sondern an der Finanzierung. „So gibt es auch immer eine Vertretungsregelung“, sind sich Zottl und Wrigge einig.
Noch bevor die Kinder überhaupt am Gymnasium sind, greift das erste Projekt in Zusammenarbeit mit dem Youze. Den Jüngsten soll noch an der Grundschule die Angst vor dem Übergang an die weiterführende Schule genommen werden. Zum Ankommen geht es schließlich für die Fünftklässler zunächst ins Piratencamp. Die Kinder, die Klasse und die Lehrkräfte sollen zusammenwachsen, Selbstverantwortung lernen und Teamgeist erfahren. „Es ist wie eine gemeinsame Klassenfahrt und senkt die Hemmschwelle“, sagt Carina Zottl. Drei Jahre läuft das Projekt schon, es wurde modifiziert, verbessert und mittlerweile kennt jeder den Drei-Finger-Schwur von Käpt’n Säbelzahn – auch die Lehrer. Die Konflikte zwischen den Kindern, aber auch zwischen Eltern und Schule, hätten sich deutlich minimiert, sagt stellvertretende Schulleiterin Dr. Ulrike Begemann. Es trage einfach zur Beruhigung bei, ergänzt Wrigge.
Später gibt es den zweiten Teil des Übergangsprojektes, um noch einmal die Gefühle aufzunehmen, nachzuspüren, wie jedes Kind an der neuen Schule angekommen ist. Dann treffen sich die Schüler auch noch in Kleingruppen mit Mitschülern aus der Grundschule.
Den Hut haben für die Projekte am Gymnasium Maren Weder und Thorsten Zottl auf – unterstützt von Pauli. Dem Schulhund fallen im Zuge der Sozialarbeit viele Aufgaben zu. Er ist Türöffner, Eisbrecher und Spiegelbild für die Emotionen der Kinder. Viel Verantwortung, die Pauli in seiner tierischen Art locker verkraftet.
Auch während der Schulzeit steht Weder im Ankerraum in der ersten Etage für die Schulsozialarbeit zur Verfügung. Sie fühle sich mittlerweile als Teil des Teams. Nachmittags gibt es Youze-Projekte für die Kinder ab 12 Jahren. Oft in Youze-Personalunion. „Da verzahnt sich die Jugendarbeit“, sagt Wrigge. Und für Carina Zottl ist es zudem die Möglichkeit, die älteren Kinder und Jugendlichen zu erreichen.
Nun starteten in den fünften und sechsten Klasse zudem die Coolnesstrainings. Weder und Thorsten Zottl haben dafür über ein Jahr an einer Hamburger Akademie einen Kurs absolviert. Es geht darum, präventiv Haltung zu vermitteln, aber auch den Pädagogen Handwerkszeug mitzugeben. „Das Sozialtraining ist langfristig angelegt. Es geht um Antiaggressivität, aber auch darum, wie die Kinder eine eigene Haltung entwickeln können, wie sie selbst wirken, wie sie auf andere wirken“, erklärt Weder. Insbesondere gehe es beim Coolnesstraining darum, die Macht von Gruppen zu verstehen und sich dennoch zu behaupten, nicht zum Mitläufer und möglicherweise in Sachen Mobbing nicht zum Täter oder Opfer zu werden. „Man muss sich Dinge nicht gefallen lassen, es gibt immer Handlungsalternativen“, sagt Zottl. Dabei gebe es nur drei Regeln: Respekt, Achtsamkeit und Disziplin. Die RAD-Regeln, die schon beim Piratencamp eine Rolle spielen.
An elf Terminen über drei Monate werden die Schülerinnen und Schüler geschult. „Wir wollen vermitteln, wie wir in der Schule miteinander umgehen wollen. Und da wollen wir so früh wie möglich starten.“ Für Carina Zottl ein Freiraum für das Lernen von Sozialkompetenz, der so wichtig wie Mathe und Deutsch sei. Ein weiteres Ziel haben Gymnasium und Youze: Soffen, eine gemeinsame Stelle für einen Bundesfreiwilligen zu schaffen, um das Angebot weiter auszubauen.