Große Lösung nicht in Sicht, Fahrgäste resignieren

Typische Situation am Bahnhof Handeloh: Das Warten auf den entgegenkommenden Zug führt an dieser Stelle auf der einspurigen Strecke regelmäßig zu Verspätungen. Foto: ari

Einmal im Jahr stellt sich der Bahnbetreiber des Heidenetzes im Uhle-Hof in Schwarmstedt der öffentlichen Diskussion. Eine Veranstaltung in guter Tradition, wie Gastgeber Björn Gehrs zur Begrüßung bemerkt. Unsicheres Gelächter im Publikum. Hatte der Samtgemeindebürgermeister einen Scherz gemacht? Weil die Zustände im lokalen Schienenverkehr immer problematischer werden und die dafür Verantwortlichen deshalb immer wieder herbeizitiert werden? Eine ungewollte Tradition, entstanden aus fortgesetztem Versagen?

Doch so war es nicht gemeint. Die Veranstaltungsreihe existiert seit über zehn Jahren, sie war ursprünglich als nüchterne Informationsveranstaltung statt hitziges Beschwerdeforum für genervte Bahnkunden angelegt. Davon ist nicht mehr viel übrig, seit das Bahnunternehmen Start Niedersachsen Mitte im Dezember 2021 das Streckennetz übernommen hat. Die bereits unter dem Vorgängerunternehmen Erixx vorhandenen Probleme haben sich seitdem extrem verschärft. Im ersten Start-Sommer 2022 brummte die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) dem Unternehmen wegen mangelhafter Leistungen eine Vertragsstrafe in Millionenhöhe auf, in diesem Sommer gab es als nächste Eskalationsstufe eine Abmahnung.

Das Treffen in Schwarmstedt dient nun primär dazu, entnervten Bahnkunden die Chance zu geben, einmal Dampf abzulassen und von ihren negativen Erlebnissen zu berichten. Von Verspätungen und Zugausfällen, überfüllten Abteilen, fehlerhaften Fahrgastinformationen, dem Warten auf entgegenkommende Züge auf eingleisiger Strecke und Fahrten, die vor dem fahrplanmäßigen Ziel enden. Zum Beispiel in Soltau statt in Buchholz in der Nordheide. Oder gar, „noch schlimmer“, in Handeloh, „irgendwo mitten in der Lüneburger Heide“, wie ein Besucher der Veranstaltung klagte. Der Anschlusszug in Hamburg ist dann passé und Sitzplätze finden die Gestrandeten oft auch nicht mehr, wenn der Folgezug endlich einfährt. Falls sie überhaupt noch hineinpassen in den Waggon. Wer ein Fahrrad dabei hat, muss besonders bangen.

Verantwortliche lassen Forderungen an sich abprallen

Auf dem Podium hören sich neben dem Bürgermeister Landrat Jens Grote, die Start-Verantwortlichen Matthias Hoff (Unternehmensleitung) und Alexander Bremer (Betriebsleiter) sowie Falk Fehsenfeld von der LNVG die Berichte und Kritikpunkte der Bürgerinnen und Bürger an. Im Saal bleiben diesmal, anders als vor einem Jahr, etliche Stühle unbesetzt. Eine gewisse Resignation liegt über der Versammlung. Die Kritik wird eher emotionslos vorgetragen. Warum groß aufregen, es ändert sich ja doch nichts. Auch der Landrat spürte diese Stimmung, und konnte sie offenbar nachempfinden. „Es ist für mich schwierig, der Diskussion unfrustriert zu folgen“, gab er an einer Stelle zu. Denn die große Lösung konnte an diesem Abend niemand präsentieren. Die spannendsten Vorschläge kamen nicht vom Podium, sondern aus dem Publikum. Es gab viel Applaus, als Zuhörer Dr. Stefan Dreesmann das Land entschieden dazu aufforderte, den regulär bis 2029 laufenden Betreibervertrag mit Start aufzukündigen.

Das hatte zuletzt auch der Fahrgastverband Pro Bahn eindringlich empfohlen. Doch die Verantwortlichen auf dem Podium ließen das ebenso abprallen wie die von einem anderen Zuhörer eingebrachte Forderung, Start vertraglich zu verpflichten, zwecks Vermeidung von Stauzeiten bei der Fahrzeugwartung mehrere Werkstätten zu konsultieren. Eine vorzeitige Vertragsauflösung strebt das Land weiterhin nicht an und Start-Leiter Hoff bezieht explizit Stellung gegen eine Neubelebung der stillgelegten kleinen Bahnwerkstatt in Soltau.

Andre Ricci