Große Hilfsbereitschaft der Leser

Ein bisschen baff ist Helga Kallweit über ihren eigenen Mut, der sie letztlich mit einem Hilfeaufruf in die Böhme-Zeitung gebracht hat, im Nachhinein doch. Foto: jul

Couragiert ist Helga Kallweit mit einem handgeschriebenen Brief an die Böhme-Zeitung herangetreten. Voller Verzweiflung, so schreibt sie, bittet sie um Hilfe. Ohne eigenes Auto kann sie ihren dementen Mann, der seit Februar im Schneverdinger Seniorenzentrum Wiesentrift lebt, nicht so häufig besuchen. Sie hat ihr Erspartes bereits für Taxifahrten und Pensionsübernachtungen aufgebraucht, erzählt sie. Diese persönliche Geschichte hat große Betroffenheit in der Leserschaft hervorgerufen. Fast 20 Menschen bieten der Rentnerin eine Mitfahrgelegenheit an.

Auch über das Facebook-Portal der Böhme-Zeitung hat die Berichterstattung große Resonanz erfahren. Fast 10 000 Mal wurde mit dem Beitrag interagiert, das heißt es gab Reaktionen, Kommentare, geteilte Inhalte, Aufrufe und Klicks. Das ist etwa das Zwanzigfache der sonst üblichen Beiträge. Es kommen darüber sowohl konkrete Hilfsangebote rein, als auch Anteilnahme und emotionale Stärkung. „Es ist echt schön mal wieder einen Facebook-Beitrag zu lesen, wo keine blöden Kommentare darunter sind und es ist verdammt schön zu sehen, dass es doch noch ein wenig Menschlichkeit gibt“, schreibt Tim Patrick Meyer.

Erste Fahrt morgen mit einem Ruheständler

Die Rentnerin ist nicht auf Facebook angemeldet, sie kann kaum glauben, wie groß die Hilfsbereitschaft ist. Sie nimmt nun telefonisch Kontakt auf.

Morgen wird bereits eine erste „Probe-Fahrt“ mit Ralf Röhrs aus Schneverdingen stattfinden. Er sei selbst ist im vorzeitigen Ruhestand und somit zeitlich flexibel. Dass eine Taxifahrt von Bispingen nach Schneverdingen und zurück mit 90 Euro zu Buche schlage, sei ihm aufgestoßen. In seiner eigenen Familie hatte er das Glück, die zu betreuenden Angehörigen in der Nähe untergebracht zu wissen. Die Erreichbarkeit ist auch der Grund, warum sich Kallweit ihren Mann lieber im Seniorenheim Ahorn in Bispingen wünschen würde. Doch da sei auf absehbare Zeit kein freier Platz zu erwarten, wie ihr mehrfach mitgeteilt wurde. Röhrs schlägt vor, dass sie einen symbolischen Euro pro Fahrt geben könnte, aber sie müsse es nicht. Halb im Ernst schlägt er vor, dass sie sich auch mit Naturalien aus dem Garten revanchieren könnte. Doch sie lacht, einen Garten habe sie leider nicht.

Andere Leser könnten die Fahrt mit ihrem Weg zur Arbeit verbinden, so wie Nicole Schiel, die hauptberuflich als Altenpflegerin tätig ist. Ein bis zweimal in der Woche fahre sie nach Schneverdingen und zurück, da sie dort noch einen Nebenjob habe. Auch Michael Schröder übt seinen Beruf in Schneverdingen aus und bietet an, sie kostenlos mitzunehmen, „denn ich fahre ja sowieso“.

Die Schwiegermutter von Verena Röhrs ist schon vor Jahren an Demenz erkrankt. Demnächst werde sie auch in die Wiesentrift einziehen. Sie weiß, wie wichtig der positive Kontakt zu anderen Menschen ist, deshalb würde sie Helga Kallweit gern die Möglichkeit geben, ihren Mann einmal in der Woche zu besuchen.

Erfahrungsaustausch über Demenz angeboten

Die Wiesentrift-Leitung stellt jedenfalls klar, dass es keine Einschränkungen in der Besuchsmöglichkeit gibt. Grundsätzlich können die Bewohner in der auf Demenzerkrankung spezialisierten Einrichtung jederzeit 24 Stunden am Tag Besuch bekommen, so Leiterin Anne Gestmann. Doch sollte der Tag-Nacht-Rhythmus der Bewohner berücksichtigt werden. Dies ist auch der Grund, warum Kallweit nicht morgens schon bei ihrem Mann auf der Matte steht. Er sei nachtaktiv, komme schwer zur Ruhe, erzählt sie im Gespräch mit der Böhme-Zeitung. Die Leserin Röhrs bietet nicht nur einen Fahrdienst an, sondern auch einen Erfahrungsaustausch im Umgang mit der Krankheit.

Der Aufruf in der Böhme-Zeitung reicht sogar bis Lüneburg. Denise Moldehn schlägt eine Spendensammlung vor. Kallweit hat ihr Erspartes für die Fahrten und Übernachtungen in Schneverdingen aufgebraucht. Über den Kontakt zu Pastor Frank Blase von der St.-Antonius-Gemeinde ist ihr ebenfalls eine Mitfahrgelegenheit angeboten worden. Freitag wird sie erstmals mit einem Gemeindemitglied nach Schneverdingen zur Kooperativen Gesamtschule (KGS) fahren. Dort holt er seinen Enkel ab. Die Sorge, was passiert, wenn die Sommerferien anbrechen und für den Großvater der Abholdienst des Enkels erstmal wegfällt, muss sich Helga Kallweit nun erstmal nicht machen.

Die Böhme-Zeitung hat die zahlreichen Kontakte an Frau Kallweit weitergegeben. Sie wird sich gegebenenfalls melden. Da eine Vielzahl von Hilfsangeboten eingegangen sind, sind weitere vorerst nicht nötig. Frau Kallweit hat weder eine Mailadresse noch ist sie digital erreichbar. Das heißt, Apps wie zum Beispiel die vom Landkreis Heidekreis beworbene Pendlerapp helfen ihr erstmal nicht weiter. Unter heidekreis.pendlerportal.de ist die Kontaktvermittlung zu finden.

Erreichbarkeit mit dem Bus von Bispingen nach Schneverdingen

Die Linie 156 fährt zwischen Bispingen und Schneverdingen. Die Fahrzeiten orientieren sich am Schulbetrieb, das heißt um 7.03 Uhr fährt ab Bispingen Schule ein Bus, der um 7.33 Uhr Am Brink in Schneverdingen halten würde. Von dort wären es noch etwa 15 Minuten Fußweg zur Wiesentrift am Walter-Peters-Park. In der Mittagszeit fahren zweimal Busse um 12.10 Uhr und 13.10 Uhr zurück, der letzte fährt um 15.47 Uhr zurück nach Bispingen. Diese Verbindung existiert allerdings nicht an den Wochenenden, an Feiertagen und in Schulferien. Darüber hinaus gibt es aus Bispingen die Möglichkeit mit der Linie 150 nach Soltau zu fahren. Bis 17.50 Uhr fährt die Linie fast jede Stunde. Mit der Linie 200 nach Neuenkirchen und von dort umsteigen in die Linie 105 wäre eine theoretische Fahrt nach Schneverdingen aus Bispingen denkbar.

Julia Dührkop