Immer höhere Einsätze im Landärzte-Poker
Landarztsitze waren einmal eine begehrte Ware. Schied ein Arzt oder eine Ärztin altersbedingt oder aus anderen Gründen aus, ließ sich die Praxis samt Kundenstamm gut weiterveräußern. Diese Zeiten sind vorbei, und das bekommen die Kommunen zu spüren. Es wird immer schwerer, überhaupt noch einen Nachfolger zu finden, wenn ein Arzt in den Ruhestand geht. Bürgermeister schlüpfen in die Rolle von Headhuntern und ködern die begehrten Fachkräfte etwa durch Prämien, gratis Baugrundstücke oder Privilegien wie einen garantierten Betreuungsplatz fürs Kind. Es ist ein Überbietungswettbewerb, bei dem es Sieger und Verlierer gibt.
Suche nach der „Nadel im Heuhaufen"
Wietzendorf gehört zu den Siegern. Dort hat sich Bürgermeister Jörg Peters mächtig ins Zeug gelegt, selbst im Internet recherchiert und sich in Ärzteportalen angemeldet – letztlich mit Erfolg. Es sei die sprichwörtliche „Suche nach der Nadel im Heuhaufen“ gewesen, berichtet Peters gegenüber dieser Zeitung (BZ vom 21. März: „Nachfolgeärztin gefunden“). Die Allgemeinmedizinerin, die jetzt von Köln nach Wietzendorf ziehen und die hausärztliche Versorgung in dem Honigdorf sicherstellen wird, wollte ursprünglich gar nicht nach Niedersachsen, sondern nach Schleswig-Holstein umsiedeln, wo sie Verwandschaft hat. Aber Wietzendorf hatte in diesem Fall wohl das bessere Blatt im Landärzte-Poker. Der Überbietungswettbewerb zwischen Kommunen um die knapper werdende „Ressource Landarzt“ ist hart. Was genau in den Anreiz-Paketen steckt, die vor Ort geschnürt werden, bleibt dabei oft intransparent.
Der demografische Wandel wird die Lage weiter zuspitzen, auch im Heidekreis und nicht nur auf dem Feld der Hausarztpraxen. In Munster zum Beispiel gehen noch in diesem Jahr eine Gynäkologin und ein Hautarzt in den Ruhestand. In beiden Fällen sind keine Nachfolger in Sicht (BZ vom 26. Januar: „Zwei Facharztpraxen schließen in Munster“). Der hausärztliche Versorgungsgrad in der Stadt ist laut Kassenärztlicher Vereinigung Niedersachsen (KVN) noch hoch (98,4 Prozent). Rechnet man die Ärzte im Alter über 63 Jahren heraus, sinkt er aber auf alarmierende 65,6 Prozent. Das ist symptomatisch – die KVN geht davon aus, dass sich rund ein Drittel aller niedersächsischen Hausärzte in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand verabschieden werden. Ulf-Marcus Grube sieht die große Herausforderung, hält aber nichts von Insellösungen. „Wir sträuben uns dagegen, Pakete zu schnüren“, erklärt Munsters Bürgermeister. Die Stadt wolle nicht „in eine Konkurrenzsituation zu anderen Kommunen treten“.