Ein gesunder Baum klingt hell

Mit einem Eisenstab und einem Gummihammer kann Matthias Reimers herausfinden, wie es um den Baum bestellt ist. Fotos: jul

Mit Respekt begegnet Matthias Reimers den Bäumen. So beginnt er die Baumsichtkontrolle im angemessenen Abstand zum Stamm. Auf fünf, sechs Meter Entfernung verschafft er sich erstmal einen Gesamteindruck von der Roteiche im Walter-Peters-Park, die dem Bundesland Bayern gewidmet ist. Was auf den ersten Blick auffällt, sind einige unbelaubte Äste. Noch ist der Herbst nicht so weit fortgeschritten, dass der Baum sein Laub braun gefärbt und die Blätter abgeschüttelt hätte. „Doch Totholz ist etwas ganz Normales“, erklärt der Gärtnermeister der Stadt Schneverdingen. Es sei sogar typisch für eine Eiche. Die Vitalität benotet er mit einer Zwei.

In den vergangenen zwei Wochen hat Reimers viele Anrufe von besorgten Bürgern erhalten. Viel Aufklärungsarbeit ist nötig, aber sicher auch ein noch genaueres Überprüfen des Baumbestands. Rund 20 000 Bäume gehören schätzungsweise zur Stadt Schneverdingen. Sieben Gärtner des städtischen Bauhofs haben die Bäume im Blick. Mit wachsamen Augen schauen sie auf den täglichen Touren durch den Park auf die imposanten Gewächse. Zweimal im Jahr gibt es eine tiefergehende Baumsichtkontrolle. So ein Ereignis, wie am 3. Oktober geschehen, soll vermieden werden.

Am Tag der Deutschen Einheit brachte eine Windböe eine Eiche zu Fall. Die Mitglieder des CDU-Stadtverbands Schneverdingen werden die Feierstunde in Gedenken an die Wiedervereinigung nicht so schnell vergessen. Und ganz besonders das Paar, auf das die noch in vollem Grün stehende Baumkrone niederging. „Nach der Enthüllung des Baumschildes sollte die Nationalhymne der Stadtfalken erklingen“, erzählt Landtagsabgeordneter Dr. Karl-Ludwig von Danwitz. Doch soweit kam es nicht mehr. Der Baum fiel ohne Voranzeichen um und klemmte zwei Personen ein. Für die Umstände sei alles noch glimpflich ausgegangen. Das Paar ist mit Prellungen und einem angebrochenen Wirbel davongekommen, beide sind wieder aus dem Krankenhaus entlassen, weiß von Danwitz.

„Noch im Frühjahr gab es keine Anzeichen, dass der Baum vom Pilz befallen sein könnte“, sagt Reimers. Er sah gesund aus. „Wir können nicht in den Baum hineingucken“, sagt er. Dass eine Böe die Kraft hatte, den Baum umzureißen, hat offenbart, was nicht in Ordnung war: Ein Pilz, der Riesenporling, hat das Wurzelwerk angegriffen. Wirklich trügerisch sei, dass der Baum trotzdem noch eine volle grüne Baumkrone aufweisen konnte. Im Nachhinein hat er festgestellt, dass eine einzige Wurzel noch den Baum genährt hat. Wäre er zehn, zwölf Tage vor dem Ereignis am Baum gewesen, hätte er stutzig werden können, da der Pilz bereits einen Fruchtkörper gebildet hat. Doch der Umkehrschluss lasse nicht zu, dass jeder Baum mit einem Fruchtkörper sofort gefällt werden müsse. Weitere Anzeichen müssen für einen krankhaften Schaden sprechen, der zur potentiellen Gefahr werden könnte.

Nach der ersten Inaugenscheinnahme schaut sich Reimers die Struktur des Stammes genauer an. Kleine Risse geben Einblick auf helles Holz. Ein Indiz für einen gesunden Baum. So verdickt der Baum seinen Stamm und wächst in die Breite. Mit einer ausziehbaren Eisenstange prüft der Gärtnermeister die Festigkeit des Bodens. Sei die Fäulnis schon an den Wurzeln verbreitet, komme er leichter durch. Zudem hilft ein Gummihammer den Zustand des Baumes zu beschreiben. Mit ein paar Probeschlägen rundherum hört Reimers am Klang, wie es dem Baum geht. Je dumpfer, desto schlechter. Erst wenn es einen Anhaltspunkt gibt, dass er krank ist, holt er ein Bohrwiderstandsmessgerät aus dem Auto. Damit lässt sich die innere Struktur von Bäumen kontrollieren. Mithilfe einer dünnen Bohrnadel können Faulstellen ebenso wie Hohlräume und andere Defekte im Holz ausfindig gemacht werden.

Gefährlicher Pilz

Es sei ein Pilzjahr, stellt Matthias Reimers fest. Die feucht-warme Witterung hat das Wachstum und die Verbreitung beschleunigt. Der umgestürzte Baum war von einem Riesenporling befallen. Dieser bildet eine Weißfäule, die zur Gefahr wird, weil sie die Stabilität und Festigkeit des Holzes schwächt. Über abgestorbene Wurzeln dringt der Pilz in den Stamm und schädigt gesunde Wurzeln. Im Anfangsstadium sei er schwer zu erkennen, heißt es im Baumportal.

Julia Dührkop