Illegales Glücksspiel im Villakeller?
Mit der Einstellung des Verfahrens endete am vergangenen Donnerstag ein langer Prozesstag vor dem Amtsgericht in Soltau. Angeklagt waren vier Männer wegen illegalen Glücksspiels sowie Verstoßes gegen die vor gut eineinhalb Jahren noch geltenden Coronaregelungen. Richterin Marlene von der Heyde hatte starke Bedenken, die Ermittlungsergebnisse der Polizei, aber auch die Zeugenaussagen eines Beamten verwerten zu können.
Was war passiert: Am 5. Februar 2022 hatten sich neun Männer im Keller einer Villa an der Wilhelmstraße zum Pokerspielen getroffen. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen vor, dort an einem illegalen Glücksspiel beteiligt gewesen zu sein, also um Geld gespielt zu haben. Zudem hätten sie gegen Coronaauflagen verstoßen. Drei Beteiligte waren nicht geimpft. Außerdem galten strenge Regeln, wie viele Personen überhaupt zusammenkommen durften.
Auf Bildern, die während der Verhandlung auf einem großen Bildschirm zu sehen waren, zeigte sich ein gut für Pokerzwecke ausgestatteter Kellerraum mit einer Bar, einer gedämpften Beleuchtung für insgesamt vier Spieltische, darum pinkfarbene Stühle. Die Staatsanwaltschaft schloss daraus, dass der Raum extra für Pokerspiele eingerichtet worden sei. An der Wand hing ein Schild: „Pokerclub Lucky River“.
Vier der neun Beteiligten hatten den Strafbefehl nicht akzeptiert und Einspruch eingelegt. Gegen sie wurde nun in der von Richterin von der Heyde geleiteten Sitzung verhandelt. Drei Männer kommen aus Hamburg, der vierte aus Soltau. Ein fünfter Beteiligter aus Soltau, der auch die Schlüsselhoheit über den Keller gehabt haben soll, hatte kurz vor dem Gerichtstermin den Strafbefehl doch angenommen.
Anonymer Hinweis auf eine klandestine Pokerrunde
In den Zeugenstand rief von der Heyde zunächst einen Polizisten, der den Einsatz vor eineinhalb Jahren leitete. Nach seinen Worten hatte es bei der PI einen anonymen Hinweis auf die Pokerrunde in dem Keller gegeben. Er habe sich zunächst persönlich davon überzeugt, dass dort tatsächlich etwas Illegales stattfinden und ein Verstoß gegen die Coronaauflagen vorliegen könnte. Daraufhin sei der Einsatz am späten Abend mit zwölf Beamtinnen und Beamten geplant worden.
Zugang zum Keller hätten die Polizisten erhalten, als zwei der Spieler vor der Tür rauchten und sich die Tür nicht gleich wieder schloss. Die Personenkontrolle verlief problemlos. Niemand habe versucht zu flüchten und alle zeigten ihre Personalausweise und teilweise auch Impfnachweise vor. Auf einer Liste seien neun Vornamen verzeichnet gewesen sowie typische Kartenspielbegriffe. Der Spielverlauf wurde mit einem Beamer an die Wand geworfen. Zudem sei die mögliche Gewinnausschüttung für die ersten drei Plätze zu sehen gewesen, allerdings ohne Angabe einer Währung. 700 hätte der erste Platz bekommen, 460 der zweite, 300 der dritte. Zumindest die Polizisten schlossen daraus, dass es sich um verbotenes Glücksspiel handelt. Bargeld oder Quittungen habe man vor Ort nicht gefunden, „ausschließlich Jetons“.
Der Polizist erklärte, die Anwesenden über ihre Rechte belehrt zu haben. Anschließend habe man die Veranstaltung aufgelöst. Verwundert zeigte sich der Verteidiger des Soltauer Angeklagten – die anderen drei waren ohne Rechtsanwälte gekommen – daüber, dass sich die Polizisten vor ihrem Einsatz keine richterliche Anordnung geholt hätten. „Die gibt es in der Akte nicht“, wunderte sich Rechtsanwalt Alexander Hüners. Warum nicht? Dafür hatte der Polizeibeamte keine Erklärung parat.
Geldstrafe zu zahlen kommt günstiger als ein Anwalt
Der Rechtsanwalt legte schließlich Widerspruch gegen die Untersuchung ein. Der Staatsanwalt wies das zurück, beim Tatbestand des öffentlichen Glücksspiels sei das eine allgemeine Ermittlungshandlung.
Näher kam Richterin von der Heyde dem Vorwurf des illegalen Glücksspiels allerdings nicht. Die weiteren Zeugen, vier Mitspieler des Abends, die über die Vorladung teils wenig erfreut waren, schilderten alle annähernd dasselbe. Alle hatten von der Pokerpartie gehört, man wollte mal wieder raus, nach der strengen Coronazeit endlich wieder Karten spielen. Um Geld sei nicht gespielt worden. Die Frage des Staatsanwalts, warum die Zeugen die Strafbefehle akzeptiert hätten, obwohl sie unschuldig seien, beantworteten sie ebenfalls ähnlich: Man wolle den Sachverhalt einfach hinter sich lassen. Zudem wäre ein Anwalt teurer gewesen als die Geldstrafe.
Der Einstellung des Verfahrens stimmte auch der Staatsanwalt zu. Richterin von der Heyde sah aus heutiger Sicht eine gewisse Notwendigkeit, vor solch einem Einsatz einen Richter einzuschalten. Möglicherweise sei das Vorgehen der Polizei vor eineinhalb Jahren der Coronazeit geschuldet gewesen.