Rettungseinsatz in einer Mondlandschaft

Bei höllischer Hochsommerhitze bekämpfen die Feuerwehrfrauen und -männer aus dem Heidekreis das Feuer in der Sächsischen Schweiz.

Die Sirene ertönt, der Pieper schrillt. Ohne Kommentar greift Sarah Albers in ihren Rucksack und schaut drauf. „Ich muss los“, sagt sie nur. Das Gespräch, in dem sie ihre Eindrücke vom herausfordernden Waldbrand in der Sächsischen Schweiz schildert, ist abrupt beendet. Ob es eine Übung ist? „Unklare Rauchentwicklung“, sagt sie nur, während sie die Tür des Feuerwehrhauses abschließt.

Allzeit bereit, helfen in Notsituationen. Die 29-jährige Sarah Albers aus Hörpel ist seit 19 Jahren bei der Feuerwehr in ihrem Ort aktiv. Die Ortswehr Hörpel wird bei der Ratssitzung am kommenden Donnerstag mit der Wehr in Volkwardingen zusammengelegt. Die junge Frau hat schon viel erlebt, aber der Einsatz Mitte August an der tschechischen Grenze war abenteuerlich, wie wohl bislang kein zweiter.

Den Reiz des Elbsandsteingebirges hat Sarah Albers vor zwei Jahren bei ihrer Hochzeitsreise kennengelernt. Doch größer hätte der Kontrast kaum sein können, als sie die Region vor Wochen mit ihren Kameraden erneut ansteuerte.

Die 29-jährige Lehrerin gehörte zu den 26 Feuerwehrleuten aus dem Heidekreis, die beim Löschen des großflächigen Waldbrandes in dem unwegsamen Gelände geholfen haben.

Die Sommerferien neigten sich dem Ende zu, als Gemeindebrandmeister Carsten Renk an einem Versammlungsabend das Hilfegesuch an die Ortswehr richtete. „Ich habe nicht gezögert“, sagt sie. Voraussetzung war die körperliche Fitness, da klar war, dass man sich abseits regulärer Wanderwege bewegen müsste. Rücksprache hat sie nur mit ihrem Mann gehalten. Wäre es zu Schulzeiten gewesen, hätte es mit der Schulleitung abgesprochen werden müssen. Ihr Mann unterstützt sie, aber „total nervös“ sei er trotzdem.

Das Gefühl kennt sie aus ihrer Familie bereits. Immerhin ist sie mit der Feuerwehr großgeworden. Ihr Vater ist Uwe Stelter, Ortsbrandmeister von Hörpel. Mit zehn Jahren ist sie in die Jugendwehr eingetreten. „Mit Menschen gemeinsam etwas schaffen“ sei ihr Antrieb. Denn Feuerwehr sei längst nicht nur das Löschen.

„Die Feuerwehr ist ein wichtiger Teil der Dorfgemeinschaft“, sagt sie. Werte an Kinder zu vermitteln, ist ihr nicht nur als Lehrerin an der Oberschule in Hanstedt ein Anliegen, sondern auch als Betreuerin bei der Jugendfeuerwehr. Bäume nach einem Sturm von der Straße räumen, eine Ölspur abstreuen oder eine verletzte Person nach einem Unfall aus dem Auto befreien: Das sind für sie alltägliche Einsätze.

Mit Helm und schweren Stiefeln sucht Sarah Albers in der verbrannten Erde nach immer noch aktiven Glutnestern. Sie sind schwer aufzufinden, denn nicht immer qualmt es.

Bei ihrem ersten Einsatz brennt auch der Wald

An ihr erstes Brand-Erlebnis kann sie sich noch sehr gut erinnern. Als der Alarm für den Waldbrand an der A7 im Jahr 2009 losging, wollte sie ausschlafen. Sie ging noch zur Schule, aber zu dem Zeitpunkt waren Sommerferien. „Da ging der Puls hoch“, sagt sie.

So richtig konnte sie sich nicht vorstellen, was sie erwartet. Die Bäume standen lichterloh in Flammen. Sie war nicht die einzige, für die es der erste Brand-Einsatz war. Dem Kameraden, der mit ihr ein Trupp gebildet hat, ging es genauso. Doch nun in der Sächsischen Schweiz stellte sich ihr ein ganz anderes Einsatzbild dar. Keine Flammen, aber überall loderte es noch im Untergrund.

So hoch wie möglich, wurden die Feuerwehrleute aus dem Heidekreis, die die Kameraden aus Hildesheim ablösten, auf den Berg gebracht. Auf einer Höhe von circa 800 Metern ging es zu Fuß weiter. „Es war wahnsinnig heiß“, erzählt sie. Hochsommerliche Temperaturen von mehr als 30 Grad und dazu der von der Glut erhitzte Boden. „Überall war feiner Asche-Staub, wie eine Mondlandschaft“, beschreibt sie das Szenario. Auf Jacken hätten sie verzichtet, aber die schweren Stiefel mit Stahlkappen waren nötig.

Die Aufgabe war, Glutnester zu finden und mit einer Spitzhacke zu zerbersten. „Teufeln wird es genannt“, erklärt sie, denn die Gesichter würden davon schwarz vor Staub. Die örtliche Einsatzleitung verteilte vorher Schals, die man sich vor Mund und Nase ziehen konnte, um den Rauch nicht direkt einatmen zu müssen. Und es sei ein bisschen wie beim Geocaching gewesen, sagt sie. Die Trupps hätten Aufnahmen einer Wärmebildkamera bekommen. Über Google-Maps hätten sie sich orientiert, was erstaunlich gut funktioniert habe.

Am ersten Tag habe sie durch aufsteigenden Qualm ein Glutnest gefunden. Am zweiten Tag wurde das Gelände schwieriger. Der Weg sei teils nur einen halben Meter breit gewesen, die Abbruchkante gefährlich nahe. Als es darum gegangen sei, an einem Seil einen Hang zu erklimmen, hätten Kameraden aufgegeben. Es sei eine Grundvoraussetzung für den Dienst bei der Feuerwehr, die eigenen Kräfte einschätzen zu können, Grenzen zu kennen. Denn sich selbst dürfe man nicht in Gefahr bringen.

Verstärkung war am dritten Tag nötig

Aufregend war der dritte und letzte Einsatztag, als nach einem Hinweis von tschechischen Naturschützerinnen ein aktiver Brand entdeckt wurde. Unterirdisch über die Wurzeln breitete sich das Feuer aus.

„Viele Bäume sahen noch gut aus, sind aber plötzlich umgekippt, weil sie von unten abgestorben waren“, erzählt Albers. Sie mussten Verstärkung anfordern. Eine weitere Saugleitung wurde gelegt, Hubschrauber kamen zur Unterstützung. „Sogar das Mittagessen wurde uns vom Hubschrauber gebracht“, erzählt sie weiter, weil die Feuerwehrleute so weit entlegen gegen die Ausbreitung des Brandes gekämpft haben.

Unzählige Blasen an den Füßen seien die Folge des kräftezehrenden Einsatzes gewesen, ein Kamerad habe deshalb sogar im Krankenhaus behandelt werden müssen. Aber zum Glück sei niemand ernsthaft verletzt worden.

Anja Trappe