Stadtwerkechefs zerstreuen Befürchtungen
Die erhebliche Abhängigkeit von russischem Erdgas stößt im Angesicht des Krieges in der Ukraine bitter auf. Mehrere Staaten beziehen ihr Erdgas zu 100 Prozent aus Russland, Deutschland zumindest zu 55 Prozent. Befürchtungen, dass die Sanktionen gegen Russland zu Gegenreaktionen führen und die Pipelines aus Russland von Putin gekappt werden, kommen hoch. Der geringe Füllstand der Erdgasspeicher befördert diese Ängste noch mehr.
Doch kurzfristig ist die Gasversorgung gesichert, verspricht Geschäftsführer Jan Niemann von den Stadtwerken Munster-Bispingen. Er beruft sich auf Aussagen der entsprechenden Verbände, die sich auf den Sommer und den nächsten Winter beziehen. „Russland erfüllt noch seine Gaslieferverträge“, sagt Niemann und versichert auch, dass bei dem Füllstand der Gasspeicher von circa 30 Prozent in Deutschland das Erdgas für das nächste Frühjahr, den Herbst und Winter reicht. Am Mittwoch hatte Niemann ein Gespräch mit den Kollegen von 30 anderen Stadtwerken und Vertretern des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), um über die Lage zu beraten. Fazit dieses Austauschs war laut Niemann: „Wir haben die Versorgungssicherheit im Griff.“ Es gebe einen engen Austausch zwischen Bundesregierung und dem BDEW.
Geothermie-Projekt voranbringen
Für Niemann ist die durch den Krieg noch einmal verstärkte Diskussion um alternative Quellen der Energieversorgung ein wichtiger Antrieb, das Munsteraner Geothermie-Projekt voranzubringen. Mit diesem „einzigartigen Projekt“ könne man die Nahwärmeversorgung der Stadt sicherstellen.
Er habe schon mit dem neuen Bürgermeister Ulf-Marcus Grube darüber gesprochen sowie den SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Klingbeil und den neuen Wirtschaftsminister Robert Habeck angeschrieben. Er habe sie auf den Aspekt hingewiesen, dass Energiepolitik jetzt durch die Sicherheitspolitik überlagert werde und aus diesem Grund eine Möglichkeit bestünde, auf eine europaweite Ausschreibung zu verzichten. Dieser Aspekt sollte auch dazu führen, dass Verteidigungsministerin Christine Lambrechts Bereitschaft reife, die Beheizung der Munsteraner Kasernen durch Geothermie-Nahwärme zu ermöglichen. Niemann ist sich sicher, dass die Stadtwerke ein Geothermie-Kraftwerk innerhalb von 36 Monaten bauen könnten.
"Mit Kriegsangst werden Geschäfte gemacht"
Zum Thema steigende Energiepreise versicherte Niemann, dass die Stadtwerke-Kunden Verträge mit fester Laufzeit haben und deshalb die Preise stabil bleiben. Auch Neukunden erhielten noch Verträge mit diesen Tarifen. Was allerdings in den nächsten Wochen und Monaten passiere, wisse keiner. Niemann ist sich sicher, dass die Preise derzeit durch Spekulanten getrieben würden. „Mit der Kriegsangst werden Geschäfte gemacht“, verweist er auf den stark gestiegenen Dieselpreis, obwohl es keinen Ölmangel gebe.
„Die politische Lage und die Bilder aus der Ukraine beunruhigen uns alle“, heißt es seitens der Stadtwerke Schneverdingen-Neuenkirchen. Die Situation könne grundsätzlich auch Auswirkungen auf die Energieversorgung Europas haben. Grundsätzlich seien sowohl die politische Lage als auch die Energiemärkte extrem angespannt. Exakte Prognosen auch zu Preisentwicklungen seien vor dem Hintergrund nicht seriös machbar.
Keine Anzeichen für Lieferstopp
Aus Sicht der Heidjers Stadtwerke gebe es aber aktuell keine Anzeichen, dass Russland die Erdgaslieferungen einstelle. Die Kapazitäten der Transportinfrastruktur seien vertraglich geregelt, Liefervereinbarungen stünden fest. „Die Informationen aus Fachkreisen sprechen dafür, dass diese Vereinbarungen eingehalten werden“, sehen Mitarbeiter der Stadtwerke zunächst keinen Grund für Besorgnis. Zudem habe man mit einem Vorlieferanten einen Partner, der vorgesorgt habe. „Er betreibt eigene Erdgasspeicher und hat diese auch gefüllt.“
Die Stadtwerke Schneverdingen-Neuenkirchen gehen deshalb von einer „deutlich höheren Versorgungssicherheit“ aus, von der auch Kunden profitieren. „Der Tarif ,Heidjers Erdgas fix’ bleibt stabil, sofern sich nichts dramatisch ändert“, setzen die Heidjers Stadtwerke auf preisliche Verlässlichkeit und begründen das damit, dass „der Löwenanteil der Energiemengen für diesen Tarif für die gesamte Laufzeit von zwei Jahren zu festen Konditionen eingekauft“ worden sei.
Mögliche Auswirkungen in der Wärmeversorgung werden die Soltauer in ihren Wohnungen wohl auf absehbare Zeit nicht spüren, heißt es auch von den Stadtwerken Soltau. „Wir haben mit unseren Gaslieferanten feste Liefervereinbarungen“, erklärte Geschäftsführer Jens Gieselmann. Die seien verbindlich und erst einmal einzuhalten. Dennoch sei die Sensibilität natürlich groß.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck habe bereits betont, dass es viele Sicherungsmaßnahmen bezüglich der Versorgung gebe. Dazu gehörten die gefüllten Speicher genauso wie andere Lieferwege. „Derzeit haben wir nicht die Befürchtung, dass wir morgen einen großen Ausfall haben“, sagt Gieselmann.
Ende der Heizperiode ist hilfreich
Trotz der aktuellen Kriegssituation möchte Gieselmann zwar nicht vom Glück im Unglück sprechen. Dennoch befänden sich die Deutschen im März im Ausgang der Heizperiode. Aktuell werde sicher noch einmal der Heizkörper aufgedreht, im April meist schon weniger und im Mai werde meist nicht mehr geheizt. Daher seien die Speicherkapazitäten aktuell auskömmlich, gleichzeitig werde auf Flüssiggas (LNG) aus den USA und Katar gesetzt, um die großen Zwischenhändler zu beliefern. Gieselmann beruhigt daher: „Augenblicklich gibt es keine Engpasssituation.“
Zudem gebe es eine Abschaltvereinbarung. Das bedeute, dass Haushalte sowie wichtige Einrichtungen wie Krankenhäuser weiter versorgt würden. Im Fall des Falles müsste die Großindustrie die Produktion zurückfahren. Auch das sehe Gieselmann derzeit nicht: „Wir bekommen Gas, wir können die Haushalte beheizen.“ Aber natürlich sei die Gesamtsituation eine Herausforderung.
Die Stadtwerke Soltau wollen sich in Sachen Energiegewinnung bereits seit einiger Zeit breiter aufstellen. Gieselmann kündigte bereits eine Vorstudie zum Thema Geothermie an, außerdem soll die Flächengeothermie ausgebaut werden, um in Neubaugebieten Alternativen anbieten zu können. „Gerade für das Thema Wärme brauchen wir auf Dauer alternative Energieformen“, sagt der Geschäftsführer. Natürlich habe er auch deshalb in den letzten Tagen Habeck aufmerksam zugehört. Diversifizierung sei dazu das Stichwort. Möglicherweise nehme diese nun noch mehr Geschwindigkeit auf – auch bezüglich finanzieller Förderungen und weiterer Anreize.