Bei „Tante Minchen“ ist’s wie einst

Er das Gefäß wiegen und dann einfüllen, ganz einfach ist die Handhabung im Unverpackt-Laden, wie Florian Bartels zeigt. Foto: ds

Er das Gefäß wiegen und dann einfüllen, ganz einfach ist die Handhabung im Unverpackt-Laden, wie Florian Bartels zeigt. Foto: ds

Seit Mittwoch gibt es in Schneverdingen eine Alternative zu Plastikflaschen und Co: Der gelernte Industrie- und Einzelhandelskaufmann Florian Bartels hat den ersten Unverpackt-Laden des Heidekreises an der Bergstraße unter dem Namen „Tante Minchen“ eröffnet.

Fast wie eine andere Einkaufswelt präsentiert sich der Laden. Alles ist in hellen Farben gehalten, die Einrichtung besteht vornehmlich aus Holz und Kork, warmes Licht vermittelt eine gemütliche Atmosphäre. Großzügig sind die Waren angeordnet und es gibt keine durch die Regale hetzenden Kunden und gestressten Verkäufer, sondern alles ist ruhig und entspannt.

Wie viel Verpackungsmüll man gewöhnlich zusammen mit der Ware kauft, merkt man spätestens, wenn die gelbe Wertstofftonne überquillt. Ganz ohne Verpackung kann man aber auch bei „Tante Minchen“ nicht einkaufen. Nur bringt man die eigenen Tüten, Beutel und Dosen mit. Die Behälter werden später einfach gewaschen und immer wieder verwendet.

Früher ging das ja auch: Bei Omas Einkauf waren die Lebensmittel in Säcken und Schubfächern untergebracht und der Kaufmann hat sie mit der großen Schaufel in Papiertüten oder Stoffbeutel gefüllt. Apropos Oma: Namensgeberin des neuen Ladens ist Florians Großmutter Minchen Cohrs. Alteingesessene Schneverdinger erinnern sich noch an ihren kleinen Laden an der Bahnhofstraße: „Gerade hat eine Kundin erzählt, sie habe früher immer bei Tante Minchen Kartoffeln gekauft“, lacht Florian und zeigt liebevoll ein Foto seiner Großmutter auf dem Verkaufstresen.

Haferflocken, Nudeln und Reis selbst abfüllen Heute kann der Kunde bei „Tante Minchen“ Schüttgüter wie Haferflocken, Nudeln und Reis mit Spendersystemen selbst in die vorher gewogenen eigenen Behälter abfüllen. Auch gibt es Essige und Öle, von Balsamico über Agavendicksaft bis zu Olivenöl – und alles wird in Flaschen gefüllt, die man entweder mitgebracht oder für wenig Geld erwerben kann. Sogar Shampoo, Waschkonzentrat, Geschirrspülmittel und Allzweckreiniger können in mitgebrachte Gefäße gefüllt werden – da tut’s auch mal eine alte leere Produktflasche. Natürlich gibt es auch lose Schokolade und sogar einzelne Rollen Toilettenpapier ohne Plastik-Umverpackung. Auch Gewürze können selbst abgefüllt werden und die kann man zuvor sehen und riechen – das ist Einkauf mit allen Sinnen.

Wichtig zu wissen ist, dass man für die hochwertigen Waren nicht mehr Geld als im Supermarkt ausgibt. Eher weniger, denn man kauft nur die Mengen, die man wirklich braucht.

„Von der tollen Reaktion der Leute bin ich bestätigt und merke, dass hier etwas gefehlt hat“, freut sich Bartels, „hier kommt man erstmal rein und hält inne, bremst, stöbert und entdeckt tolle neue Sachen. Und ich komme mit den Leuten ins Gespräch.“ Gerade verlassen Petra Kovat und ihre Tochter Lara den Laden – mit Kaffee, den sie lose gekauft und in eine Dose gefüllt haben. Über Facebook und Mundpropaganda sind sie auf den Unverpackt-Laden aufmerksam geworden. „Coole Idee“, schwärmt Lara, und ihre Mutter bestätigt das: „Wir unterstützen den Grundgedanken des Ladens“, sagt sie und fügt hinzu „alles ist so schön angerichtet und liebevoll-witzig beschrieben.“

Obst und Gemüse kommen aus der Region

Und natürlich gibt es auch regionale und saisonale Produkte – Obst und Gemüse vom Wistedter Hermannshof, Backwaren von der Bohlsener Mühle und Eier von glücklichen Hühnern aus Tewel.

Alles ist ökologisch und aus biologischem Anbau. Zu jedem Produkt, das er hier verkaufe, habe er einen persönlichen Bezug, sagt Bartels und zeigt Korn und Bier aus Lüneburg („ich habe viele Freunde, die davon schwärmen“) und Egestorfer Heide-Gin, für den der gebürtige Schneverdinger Gerhard Bosselmann in der Heide und im Pietzmoor Wacholder und Kräuter sammelt.

„Alle diese regionalen Sachen sind mit Liebe zum Produkt hergestellt“, sagt Bartels voller Begeisterung, „und man merkt am Geschmack, dass es frisch ist.“ Immer wieder geht die Tür zu „Tante Minchen“ auf und interessierte Kunden kommen in das Geschäft. „Ich habe mich schon lange auf diesen Laden gefreut“, strahlt Regina Brockmann, deren Tochter ihr bislang unverpackte Waren sogar aus Hamburg mitgebracht hat. Und Einkäuferin Christa Vettermann ist überzeugt: „Der Laden ist einfach eine Bereicherung für Schneverdingen“. ds

Plastik verrottet nicht

Plastik im Meer ist ein ständig wachsendes Problem, das jedes Jahr Tausenden Tiere das Leben kostet und auch uns Menschen gefährdet. Denn Plastik verrottet nicht. Es zerfällt zwar kontinuierlich, wird aber nie vollständig abgebaut. 450 Jahre benötigt laut Umweltbundesamt eine Kunststoffflasche, bis sie in winzigste Partikel zerfällt.

Diese Mikroplastikartikel verschwinden nicht, sondern gelangen in die Körper der Meerestiere und über die Nahrungskette auch in die der Menschen. Und Kunststoffe haben gesundheitsbedenkliche Auswirkungen auf alle Lebewesen. Seevögel, Meeressäuger und Fische sterben qualvoll an unserem Müll – und dass die Mikropartikel auch den Menschen schaden, ist naheliegend. Wir Deutschen gehören nicht zu den achtlosesten Menschen, sortieren und trennen den Müll. Wir glauben an Recycling und wiegen uns in Sicherheit. Aber nur ein knappes Viertel unseres Plastikmülls wird stofflich wiederverwertet.

Denn sobald verschiedene Materialien an einer Verpackung sind, kann das Teil nicht zugeordnet werden und wird zur Müllverbrennung aussortiert. Wichtiger als Recycling ist darum Müllvermeidung – und dazu kann ein Unverpackt-Laden beitragen. ds