Bürgerentscheid: Hadern oder Blick nach vorn?

Der Schneverdinger Student Johannes Gerken hat sein Votum abgegeben, aber die Wahlbeteiligung in der Heideblütenstadt war eher gering. Foto: bk

Der Schneverdinger Student Johannes Gerken hat sein Votum abgegeben, aber die Wahlbeteiligung in der Heideblütenstadt war eher gering. Foto: bk

Das vorläufige amtliche Endergebnis zum Bürgerentscheid steht fest: 63,82 Prozent der Stimmberechtigten wollen, dass die Planungen für einen Neubau eines neuen Krankenhauses am Standort Bad Fallingbostel (F4) fortgesetzt werden. 36,18 Prozent stimmten dafür, die Planungen im Bereich Dorfmark vorzusehen. Den 19 983 Stimmen, die mit ihrem Ja das Ansinnen des Bürgerbegehrens unterstützen, stehen 35 251 Stimmen gegenüber, die das Bürgerbegehren ablehnen. 91 Stimmzettel waren ungültig. Zwar hat das Bürgerbegehren zu den eingereichten mehr als 12 000 Unterstützungsunterschriften im Entscheid vom Sonntag weitere mehr als 7000 Unterstützer für sich gewinnen können, aber Landrat Manfred Ostermann, Kreispolitik und Kreisklinikum können sich gleichwohl im Ergebnis auf eine knappe Zweidrittelmehrheit in der Bevölkerung berufen.

Standortfrage zu Klinik: Können Menschen damit gut leben?

Die Wahlbeteiligung der 115 355 Abstimmungsberechtigten lag bei 47,96 Prozent, sie war im Schnitt in den südlichen Kommunen des Landkreises höher als in den Kommunen im Altkreis Soltau. „Es gibt vielleicht auch viele, die mit dem Standort Bad Fallingbostel einfach gut leben können“, vermutet SPD-Kreisfraktionsvorsitzender Sebastian Zinke gegenüber der Böhme-Zeitung.

Er sei froh, dass es keine Vollbremsung gegeben habe. „Wir haben gezeigt, dass man so einen Prozess durchbringen kann, anders als in Ostfriesland“, verweist der Landtagsabgeordnete auf einen mehr als zehnjährigen Streit um das Zentralklinikum Georgsheil, zu dem zwei Bürgerentscheide durchgeführt worden sind. Jetzt müsse man die Instrumente für eine bestmögliche Transparenz im weiteren Verfahren entwickeln. Zinke sagt, er wolle kein weiteres Misstrauen gegen das Projekt zulassen. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Kreistag, Torsten Söder, sieht das Ergebnis des Bürgerentscheids als „gutes Signal für unser Heidekreis-Klinikum, auch wenn ich es mir noch deutlicher gewünscht hätte“.

Fördermittel: Chance für Landkreis auf Neubau bleibt

Er freue sich für die Mitarbeiter des Klinikums, die hervorragende Arbeit leisteten und sich ebenfalls für den Neubau in Bad Fallingbostel eingesetzt hätten. „Erfreulich sind auch die sehr eindeutigen Ergebnisse aus Dorfmark selbst, wo sich mehr als 90 Prozent für ein Krankenhaus in Bad Fallingbostel ausgesprochen haben.“ Der Kreis erhalte sich die einmalige Chance auf enorme Fördermittel.

Doch der Fraktionschef räumt auch Fehler ein. In den vergangenen Wochen und Monaten sei die Kommunikation nicht immer glücklich gewesen. „Das müssen wir gemeinsam aufarbeiten und in Zukunft besser machen.“

„Man muss es so akzeptieren, wie es ist“, bemüht sich Unternehmer Jürgen Röders darum, einen Zusammenhang zwischen dem Ausgang des Bürgerentscheids und möglichen Konsequenzen für sein Unternehmen zu vermeiden, doch so ganz gelingt es ihm nicht. Sein Unternehmen sei nun einmal auf hochausgebildete Mitarbeiter angewiesen, die ein entsprechendes Wohn-umfeld in Anspruch nähmen. „Ja, es ist eine Benachteiligung, aber wir haben ja schon eine Dependance in Hamburg-Harburg.“ Der Abzug des Krankenhauses aus dem Soltauer Nahumfeld sei „ein weiterer Minuspunkt für den Standort“ Soltau.

Rücktrittforderung von Schneverdinger Grünen

Nicht überall wird das Scheitern des Bürgerbegehrens im Bürgerentscheid bereits akzeptiert, oder der Sieg mit Blick auf berechtigte Interessen der Unterlegenen verhalten gefeiert. Beim Bürgerbegehren selbst sah man sich am Abend des Entscheids trotz des Unterliegens bestätigt. Das Ergebnis sei kein Grund, den Standort F4 weiter zu betreiben, glaubte Otto Elbers deuten zu können. Und der Schneverdinger Grünen-Politiker Markus Neuefeind legte „allen Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung, die sich in ein Klinikum für den südlichen Heidekreis verrannt haben“, den Rücktritt nahe.

Während die noch mit dem Ergebnis hadern, lässt Klinikchef Dr. Achim Rogge nach Auszählung der Abstimmung eine feierlaunige Pressemitteilung versenden, in der seine Freude zum Ausdruck gebracht wird, dass „wir viele Menschen durch faktenbasierte Argumente überzeugen konnten“, aber leider wieder Wunden entstanden seien. Von der Fehlerhaftigkeit des Trinovis-Gutachtens keine Rede, von Respekt gegenüber jenen, die für einen anderen Standort gerungen haben fehlt jede Spur.

Hermann Norden räumt Fehler in der Kommunikation ein

Da legt man in der Kreispolitik etwas mehr Rücksichtnahme an den Tag. Der HKK-Aufsichtsratsvorsitzende Hermann Norden hatt e bereits Fehler in der Kommunikation eingeräumt. Und dass es jetzt einiges zu bereinigen gilt, bringt auch Sozialdemokrat Sebastian Zinke zum Ausdruck, der am Sonntagabend gemischte Gefühle zeigte. „Wir haben jetzt noch eine Aufgabe vor uns und müssen den Kreis wieder zusammenführen.“ Man müsse auch verzeihen können, sonst werde das nichts mit dem Zusammenhalt im Kreis, sendet der SPD-Kreisfraktionsvorsitzende eine klare Botschaft in alle Richtungen.

Sowohl Norden als auch Zinke wollen sich für eine höchstmögliche Transparenz im Zusammenhang mit dem Architektenwettbewerb einsetzen. Das ist auch die Sichtweise der CDU-Verbände aus Bispingen, Munster, Neuenkirchen, Schneverdingen und Soltau, die gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Dr. Karl-Ludwig von Danwitz Akzeptanz und Respekt für das Ergebnis des Bürgerentscheids erklären. „Die weitere Vorgehensweise ist klar definiert“, so von Danwitz. Für die weiteren Schritte wünsche man sich „größtmögliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit für alle Bürgerinnen und Bürger“.

Lars Klingbeil fordert Geschlossenheit

Nach vorne blicken will auch SPD-Bundestagsabgeordneter Lars Klingbeil. „Die Entscheidung von Sonntag bedeutet, dass wir die Chance auf Fördermittel in Millionenhöhe für ein neues modernes Krankenhaus im Heidekreis haben. Wir brauchen jetzt Geschlossenheit im Landkreis und gleichzeitig müssen die Sorgen der Kritiker ernst genommen werden.“ Es werde in den kommenden Monaten nicht nur um das Klinikum gehen, sondern auch um „einen guten Zugang zum Gesundheitssystem“ für alle Menschen.