Frauennamen fehlen auf Schildern
Straßennamen, wer merkt die sich eigentlich noch? Navigationssysteme und Smartphones haben dafür gesorgt, dass vor allem jüngere Generationen selten einen Blick auf Straßenkarten werfen.
Wer aber doch mal auf den Stadtplan guckt, der wird feststellen, dass dort ein Ungleichgewicht herrscht. Thomas-Mann-Straße, Fritz-Reuter-Straße, Dietrich-Bonhoeffer-Straße, Gorch-Fock-Straße, Albert-Schweitzer-Straße, die Liste der Straßen, die in den Kommunen des Nordkreises nach Männern benannt sind, ließe sich noch lange so weiterführen. Genauer gesagt wäre sie 133 Namen lang. Eine vergleichsweise geringe Zahl gegenüber den 1347 Straßen, die sich über den Nordkreis verteilen. Aber gleichzeitig eine hohe Zahl gegenüber den gerade einmal 16 Straßen, die nach Frauen benannt sind.
Anlässlich des Internationalen Frauentags am heutigen Montag hat die BZ einmal die Straßenverzeichnisse durchgeblättert und für jede Stadt und Gemeinde nachgezählt. Für Neuenkirchen, Bispingen und Wietzendorf geht das sehr schnell. In keiner der drei Gemeinden findet sich ein Straßenname, der an eine Frau erinnert. Es finden sich allerdings auch kaum Straßen, die nach Männern benannt sind. In Wietzendorf sind es gerade einmal drei, in Neuenkirchen acht und in Bispingen neun. An der Frauenquote von null Prozent ändert das nichts. Ein wenig besser sieht es da in den Städten aus. 28 Straßen sind in Munster nach Personen benannt, gezählt werden dabei nur Straßen, die den Vor- und Nachnamen von jemandem tragen. Von den 28 Straßen sind zwei nach Frauen benannt, der Anne-Frank-Weg und die Lise-Meitner-Straße.
Meitner war eine österreichische Physikerin, die zusammen mit Otto Hahn die Kernspaltung von Uran und Thorium entdeckte. Für die Entdeckung der Kernspaltung erhält Hahn im Jahre 1944 alleine den Nobelpreis für Chemie. Meitner erhält 1959 das Bundesverdienstkreuz und zusammen mit Hahn und Fritz Straßmann 1966 den Enrico-Fermi-Preis der Atomenergiekommission der USA.
In Schneverdingen finden sich etwas mehr Frauennamen auf den Straßenschildern als in Munster. 26 Straßen sind nach Personen benannt, acht von ihnen sind Frauen. Unter ihnen ist Margarete Daasch. Sie wurde in Uelzen geboren und war 1937 die erste Frau, die in der hannoverschen Landeskirche zur Vikarin eingesegnet wurde. Ein erster Schritt auf dem Weg zur Pastorin, die damals noch nicht vorgesehen waren. Daasch wurde Mitglied in leitenden Gremien der Landeskirche und kämpfte mit anderen Frauen um eine gesetzliche Regelung als Berufsgrundlage für Theologinnen. 1964 eröffnete ihr das Pastorinnengesetz den Weg zur Ordination. Wirklich dienstrechtlich gleichgestellt wurden die Pastorinnen aber erst 1978. Da war Daasch bereits im Ruhestand.
Auch in Soltau erinnert ein Straßenname an eine gläubige Frau. Eva-Maria Buch war eine junge Katholikin. Buch, geboren 1921 vertrat humanistische Werte und lehnte deshalb das NS-Regime ab. Bei ihrer Arbeit in einer Buchhandlung lernte sie Wilhelm Guddorf kennen und über ihn die Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“, deren jüngstes Mitglied sie wurde. Im Oktober 1942 wurde sie deshalb verhaftet und Anfang 1943 zum Tode verurteilt. Sie starb am 5. August 1943 mit 22 Jahren unter dem Fallbeil.
Buch ist eine von sechs Frauen an die auf Soltauer Straßenschildern erinnert wird. In der Stadt wird die ungleiche Verteilung mit am deutlichsten. 75 Straßennamen und damit so viele wie in keiner anderen Gemeinde des nördlichen Heidekreises sind nach Personen benannt. Das sechs von ihnen, die Namen von Frauen tragen, macht ein Anteil von acht Prozent aus.
Orte, Pflanzen und Tiere dominieren auf den Schildern
Diese ungleiche Verteilung von Männern- und Frauennamen als Straßennamen dürfte auch damit zusammen hängen, dass die meisten Straßen in der Region anstatt nach Namen, nach Orten, geografischen Punkten, Pflanzen oder Tieren benannt sind. Straßenschilder, auf denen der Name einer Person steht, sind relativ selten. Was allerdings auch dazu führt, dass deutlich mehr Tiernamen im Straßennetz auftauchen als Frauennamen. 90 Straßen sind im Nordkreis nach Tieren benannt, besonders beliebt scheint die Amsel zu sein. Einen Amselweg gibt es in Soltau, Bispingen, Munster und Neuenkirchen, einen Amselbusch außerdem in Schneverdingen. Nur in Wietzendorf hat es der Vogel auf kein Straßenschild geschafft. Über mangelnde Repräsentation kann sich die Amsel also nicht beschweren, das würde sich sicherlich nicht ändern, wenn sie bei der nächsten Namensgebung leer ausgehen würde.