Mit dem BBS-Abitur Medizin studieren
„Bei uns gibt es am Ende nichts anderes als die Allgemeine Hochschulreife.“ Immer wieder ärgern sich Gaby Tinnemeier und Ina Müller-Jarisch zumindest innerlich darüber, dass das Abitur, das an den Berufsbildenden Schulen in Soltau erworben werden kann, in der gesellschaftlichen Wahrnehmung dem Abschluss an Gymnasien nachgestellt wird. Die BBS-Schulleiterin und die Leiterin des beruflichen Gymnasiums haben das nicht nur in privaten Gesprächen festgestellt, sondern hören es auch bei denen, die es eigentlich wissen müssten.
„Ein Wirtschaftsabitur gibt es nicht“, erklärt Tinnemeier nachdrücklich. Wie am Gymnasium auch, wählten die Schülerinnen und Schüler an den BBS ihre Schwerpunkte. Am Gymnasium lägen diese beispielsweise im sprachlichen oder naturwissenschaftlichen Bereich, an den Berufsbildenden Schulen im betriebswirtschaftlichen oder gesundheitlichen Bereich. „Wir haben die gymnasiale Oberschule mit den genannten Berufs-Schwerpunkten“, so Tinnemeier.
Prüfungshauptfach sei beispielsweise der Bereich Gesundheit, in dem die Fächer Biologie und Chemie zusammengefasst sind. Bezogen allerdings auf die Gesundheit des Menschen: „Wir sind im Jahrgang 11 konkret mit dem Thema Krankheiten befasst“, erklärt Müller-Jarisch. 2021 stehen Darmkrebs und Suchterkrankungen auf dem Lernplan, dazu geht es um Prävention, Therapie und Rehabilitationsmaßnahmen. Aber auch wer sein Abitur im beruflichen Bereich Wirtschaft mache, könne zum Schluss Medizin studieren. „Es ist trotz der Spezifizierung nicht das kleine Abitur, sondern das zentrale Abitur. Möglicherweise sogar mit Vorteil, eben wegen der beruflichen Vorkenntnisse.“
Die sonstigen Kernfächer seien ebenfalls wie üblich Deutsch, Englisch, Spanisch und Mathematik. Nur den Bereich Kunst und Musik gebe es nicht und Sport leider zu wenig. Anders als am Gymnasium ist an der gymnasialen Oberstufe der BBS, dass die Lehrer zumeist aus der Praxis kommen. „Viele haben fachliche Vorkenntnisse, haben zuvor beispielsweise in Gesundheitsberufen gearbeitet.“
Möglicherweise gebe es deshalb eine besondere individuelle Betreuung und eine noch praktischere Orientierung, findet Müller-Jarisch. Sie verschweigt aber auch nicht, dass das berufliche Gymnasium eine hohe Fluktuation habe, weil die Schüler das Angebot häufig als Plan B nutzten. „Das ist unser Schicksal, aber vielleicht auch das Glück der Schüler, die dann bleiben“, findet sie. Denn die Klassen seien überschaubar und die Jugendlichen individuell im Fokus. Hinzu kämen umfangreiche Praxisteile: „Wir haben innerhalb des Leistungskurses eine mehrstündige Projektarbeit im Lehrplan verankert.“ Außerdem habe man als Europaschule viele Kontakte ins Ausland und die Schüler nutzten das aus.
Enge Verbindung zur Wirtschaft
Für den Praxisteil des Beruflichen Gymnasiums zwischen Jahrgang 11 und 13 stehen die BBS Soltau in enger Verbindung mit der heimischen Wirtschaft. So ging es in Zusammenarbeit mit Harry-Brot um eine zeitgemäße Kommunikationspolitik in der Lebensmittelindustrie, mit Hagebau um die Erschließung junger Zielgruppen, mit Röders Tec um das Thema Spendenwerbung für einen Township in Südafrika oder mit dem Autohaus Winkelmann um einen Image-Film. Eigentlich ist die Anmeldefrist für das kommende Schuljahr bereits abgelaufen. Aber Anmeldungen seien trotzdem weiter möglich, sagt die Leiterin Ina Müller-Jarisch – spätestens bis zum Beginn des neuen Schuljahres. Voraussetzung ist der erweiterte Sekundarabschluss 1.