Zwischen Frust und Hoffnung
Charlys Pub und Ankes Home of Hair Wilhelm-Bockelmann-Straße in Munster liegen nur wenige Schritte auseinander. Der Friseursalon von Anke Reimers darf nach zehn Wochen wieder öffnen, die Kneipe von Marco Tews bleibt nach fünf Monaten im Lockdown auch weiter geschlossen. Bei dem Paar zeigen sich die Auswirkungen der Coronakrise, die sich zwischen Zuversicht und Wut bewegen.
Mut bewies Reimers, als sie sich mitten in der Coronakrise dazu entschloss, ihren Traum zu verwirklichen und sich nach 35 Jahren im Geschäft mit einem eigenen Salon selbstständig zu machen. „Die Idee entstand im April 2020 im ersten Lockdown, als der Laden frei wurde“, erinnert sich die 53-Jährige. Natürlich sei es ein Risiko, mitten in der Pandemie den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, doch da das Gebäude ihrem Lebenspartner Marco Tews gehört und sie direkt obendrüber wohnen, habe es sich einfach angeboten und sie die Chance genutzt. Es sei auc gut angelaufen, als sie den Salon im Oktober mit drei Angestellten eröffnete. Doch schon nach zehn Wochen kam dann der Lockdown. Mit der angekündigten Schließung Mitte Dezember zeigten sie und ihr Team noch einmal vollen Einsatz, um alle Kunden für Weihnachten bedienen zu können. „Wir haben von 7 bis 22 Uhr gearbeitet. Das war der Wahnsinn“, so Reimers. Auch bei ihr hätten Kunden nachgefragt, ob sie privat trotzdem die Haare schneiden würde. „Das haben wir aber nicht gemacht.“
Jetzt aber, nach ebenfalls zehn Wochen im Lockdown wollen sie wieder loslegen. Seit der Ankündigung, dass die Friseure am 1. März wieder öffnen dürfen, „steht das Telefon nicht mehr still“. Zusätzlich hat Reimers und ihr Team alle Kunden angerufen und über die Öffnung informiert. „Das sehe ich als Serviceleistung“, erklärt sie. Den Einsatz ihrer Mitarbeiter wolle sie auf jeden Fall belohnen mit der steuerfreien Coronaprämie für Personal. Damit am heutigen Montag wieder frisiert werden kann, müssen verschärfte Auflagen erfüllt werden. Neben den medizinischen Masken, müssen die Kunden nur noch draußen warten und es gibt eine Begrenzung der Personen für eine bestimmte Quadratmeterzahl. Die Vorfreude ist dennoch groß. Termine in Ankes Home of Hair sind vier Wochen ausgebucht. „Da wird einiges auf uns zukommen“, ahnt Reimers angesichts der langen haarigen Durststrecke.
Nach fünf Monaten wächst die Verzweiflung
Unterstützt bei den Kontaktzetteln wird sie von ihrem Partner Tews, der froh ist, etwas zu tun zu haben. Denn wann er seine Kneipe gleich nebenan wieder öffnen kann, bleibt weiter unklar. „Es ist langsam zum Verzweifeln“, macht er seinem Ärger Luft. Er befürchtet, dass es sich langsam einschleichen könnte, und die Kneipenszene am Ende nicht mehr gebraucht werde. November- und Dezemberhilfe habe er mittlerweile bekommen. Doch von den 75 Prozent des Vorjahresgewinns blieben nach Abzug von Kurzarbeitergeld und Gehalt für den Steuerberater nur noch 42 Prozent über. Die Überbrückungshilfe habe er beantragt, doch von diesen 90 Prozent müsse er aber 100 Prozent Betriebskosten bezahlen. Tews könne zwar auf Rücklagen zurückgreifen, die waren aber eigentlich für die Altersvorsorge gedacht.
„Es dauert alles zu lange“, so Tews, der sich eine klare einheitliche Linie von der Bundesregierung wünscht. Auch von seinem Dachverband, dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband fühle er sich nicht vertreten. „Wir Kneipen sind die Stiefkinder der Gastroszene.“ Denn die angekündigte verminderte Mehrwertsteuer soll nur für Speisen in Kraft treten, nicht aber für Getränke. „Da sind die Restaurants wieder im Vorteil.“ Laut Stufenplan des Landes dürfe er seinen Pub erst bei einem Inzidenzwert von 25 öffnen und bei der Größe von 80 Quadratmetern dürften nur acht Leute rein. „Dann brauche ich gar nicht erst zu öffnen.“ Tews wünscht sich von der Stadt, dass die Außen-Gastro groß aufgezogen werden darf, wenn es endlich wieder losgeht, und auch die Sperrzeit etwas auszudehnen.
Von 150 Prozent Auflastung auf nahezu 0
Jetzt seien beide erst einmal froh, dass zunächst Reimers ihren Salon wieder öffnen darf. „Es hat sich angefühlt, als wären wir ein Rentnerpaar“, sagt Reimers über die Lockdownzeit, als sie zum Nichtstun verdammt waren. „Vor Corona war ich 150 Prozent ausgelastet, nur unter Dampf. Dann wurde ich ausgebremst und kein Ende ist in Sicht“, so Tews. „Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen, denn wir wollen alle unser altes Leben zurück“, sagt Reimers.