Gewalt in der Pflege: Impfpflicht droht Überlastung des Personals zu verschärfen
"Wenn das bedeutet, dass ab Ende Februar, Anfang März der doppelte Impfnachweis vorliegen muss, ist das ein Zeitpunkt, an dem das Ganze auch umsetzbar ist", sagte vor wenigen Tagen der Munsteraner Politiker und designierte SPD-Parteichef Lars Klingbeil im Morgenmagazin von ARD und ZDF zur Impfpflicht in den Pflegeberufen.
Impfpflicht: In UK droht 10 % der Pflegekräfte die Entlassung
Der Impfdruck findet beim Pflegefachpersonal nicht nur Wohlwollen, sondern wird angesichts der Personalengpässe in Heimen und Kliniken auch mit Sorge betrachtet „Eine Zwangsimpfung wäre hochproblematisch und würde nur Gegenwehr auslösen“, so offenbarte im Vorfeld die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler. gegenüber der Ärztezeitung. In die gleiche Kerbe schlug Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, und verwies auf die Impfpflicht in Großbritannien, durch die rund 10 Prozent der Pflegekräfte wegen Nichtimpfung die Entlassung drohe. Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) brachte solche Sorgen auf den Punkt. Es könne passieren, dass Beschäftigte in der Pflege sich nicht impfen ließen, sondern „weg“ seien, also den Beruf wechselten.
Wie angespannt die Situation in der deutschen Pflege bereits jetzt ist, also noch vor Einführung der Impfpflicht in der Pflege, belegt unter anderem die Zunahme von sogenannten anlassbezogenen Prüfungen in Pflegeeinrichtungen seitens des MDK. So berichtete der MDK Niedersachsen auf Anfrage der Böhme-Zeitung, dass im Lande sich die anlassbezogenen und somit unangekündigten Überprüfungen von Pflegeeinrichtungen von 57 im Jahr 2019 auf satte 104 Prüfungen im Jahr 2020 nahezu verdoppelt hätten. Die regulären Prüfungen waren aufgrund der Pandemie fast in Gänze zurückgefahren worden.
Pflegekräfte sprechen offener über Missstände
Hintergrund solcher Prüfungen sind oft Hinweise auf unangemessene Pflegesituationen, sprich auf Gewalt in der Pflege. Wie solche Situationen aussehen können, das hat die BZ nach jahrelanger Recherche auch im Heidekreis ermitteln können. Waren Pflegekräfte in früheren Jahren weniger bereit, Aussagen zu Missständen zu machen, ist die Belastungsgrenze - wie die Berichte belegen - soweit überschritten, dass die Bereitschaft zur Aussage und auch zur Glaubhaftmachung der Berichte, immer weiter steigt. Es sind Berichte über Überforderung bis hin zu vorsätzlichem Betrug durch Pflegeunternehmen. Die neue Offenheit der sonst eher verschwiegenen Berufsgruppe beruht nicht nur auf aufgestautem Zorn über unterbezahlter Überforderung, sondern zunehmend auch auf völlige Desillusion über Abhilfe. In der häuslichen Pflege bieten Spendenfonds wie den der Diakonie in Bispingen punktuell Linderung, wo das staatliche Finanzierungssystem nicht mehr greift. Um der Situation aber systematisch Herr zu werden, fordert der Pflegeforscher Professor Dr. Frank Weidner einen Masterplan und milliardenschwere Investitionen.
Lesen Sie die ganze Recherche in der Böhme-Zeitung vom 8. Dezember 2021.