Vollbremsung nach bestem Geschäftsjahr
Sauenhalter sterben leise, lautet ein geflügeltes Wort in der Landwirtschaft. Damit ist natürlich nicht das biologische Ableben der in dieser bäuerlichen Sparte Tätigen gemeint, sondern die Art, wie sie aus dem Markt ausscheiden – meist still und leise. Über ihre wirtschaftlichen Probleme sprechen sie nicht gern, lassen es laufen. bis nichts mehr geht.
Niklas Winkelmann hat einen anderen Weg gewählt. Ungewöhnlich offen schildert der 32-jährige Landwirt aus der Soltauer Ortschaft
Leitzingen im Beisein von Landvolkvertretern den plötzlichen Umbruch in seinem Betrieb mit 560 Zuchtsauen. Er berichtet von einer Vollbremsung von 100 auf fast Null.
Es ist eine 180-Grad-Wendung innerhalb eines halben Jahres, wie sie nicht zu erwarten war. Schließlich war das am 30. Juni abgelaufene Wirtschaftsjahr für die Schweinehalter eines der erfreulichsten. „Da wurde gut Geld verdient“, erinnert sich Landvolkchef Jochen Oestmann. Doch mit Ausbruch der Corona-Pandemie und vor allem dem Auftreten der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in deutschen Wildschweinbeständen drehte sich das Ganze komplett.
Corona-Pandemie und Afrikanische Schweinepest ließen Preise auf breiter Front einbrechen
Coronabedingt mussten viele Schlachthöfe schließen, und das wichtige Exportfenster nach Ostasien ist durch den ASP-Bannstrahl geschlossen. In der Folge blieben viele Landwirte auf ihren Tieren sitzen und mussten sie teilweise zu Schleuderpreisen abgeben. Die Auswirkungen bekam auch Winkelmann zu spüren. Die Preise brachen auf breiter Front ein. Es gelten nicht mehr die gewohnten Regeln des Schweinezyklus mit einem halbwegs berechenbaren Auf und Ab der Preise, sagt Landvolk-Kreisgeschäftsführer Klaus Grünhagen. Er gehe davon aus, dass die Situation sich mindestens zwei Jahre nicht entscheidend verbessern werde, denn eine Exportfreischaltung werde es erst nach zwölf Monate nach dem letzten ASP-Wildschweinnachweis geben.
Winkelmann analysierte seine Lage mit Experten der
Landwirtschaftskammer. Das ernüchternde Ergebnis: 1200 Euro
Liquiditätsverlust pro Tag. „Das ist nicht lange durchzuhalten und unverantwortlich gegenüber meiner Familie. Wenn ich weitermachen würde wie bisher, müsste ich weiteres Geld besorgen, könnte es aber nicht wieder erwirtschaften.“
Erleichtert wurde die Entscheidung mit den Sauen aufzuhören durch
seinen Vater, der den Betrieb zurückliegenden Jahrzehnten aufgebaut und 2017 an ihn übergeben hat, sein Lebenswerk. „Sieh' zu, dass Du die Schweine so schnell wie möglich rauskriegst“, habe der ihm geraten, die Reißleine eher heute als morgen zu ziehen. „Er wirkt seitdem gelöster, ist richtig erleichtert“, hat der Junior beobachtet.
Im Oktober ging es los, wurden die ersten Tiere zum Schlachthof
abgeholt. Winkelmann gesteht, dass er es anfangs nicht anschauen
konnte und sich verdrückte. Immerhin sei er angesichts des Umstands, dass die Ställe abbezahlt sind in einer besseren Position als die meisten seiner Berufskollegen.
Statt bisher 15.000 demnächst nur noch 200 Ferkel pro Jahr
Mittlerweile ist der Sauenbestand von 560 auf 180 Tiere eingedampft. „Bis Mai werden auch sie bis auf wenige Ausnahmen die Fahrt zum Schlachthof antreten, weil niemand anderes sie mir abnimmt“. Ein paar Sauen will Winkelmann behalten, quasi als Hobby, „ganz aufhören kann ich noch nicht.“ Statt bisher 15.000 Ferkel werden auf dem Hof demnächst nur noch etwa 200 pro Jahr geboren und im Aufzuchtstall aufwachsen – zusammen mit weiteren Tieren, die Winkelmann zukaufen muss. „Das erste Mal mal in der Geschichte unseres Hofes. Ein komisches Gefühl.“
In der Ferkelaufzucht sieht er eine Möglichkeit, noch schwarze Zahlen zu erwirtschaften. Ein vollständiger Ersatz für das wegbrechende wichtigste betriebliche Standbein Sauenhaltung ist das nicht. Da müssen noch andere Lösungen und Konzepte gefunden werden, weiß Winkelmann. Einen Masterplan habe er noch nicht, aber Ideen. Der Leitzinger Söhrenhof ist eine beliebte Adresse für Urlaub auf dem Bauernhof. Das Tourismusfeld will Winkelmann noch intensiver beackern.
Da werden noch einige Herausforderungen auf ihn zukommen, macht er sich keine Illusionen. Gleichwohl ist er zuversichtlich und überzeugt, dass es richtig war zu handeln, „so lange ich das selbst bestimmen kann“.