Rauhnächte: Wenn Frau Holle über die Heide fegt ...

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Zwischen dem 24. Dezember und dem 6. Januar kann es schon mal haarig werden, denn dann fegt Frau Holle über das Land und bringt Ungemach, so ein alter Glaube. Stürme und andere Wetterphänomene wurden als Wotans „wilde Jagd“ gedeutet. Der germanische Gott jagte der Mythologie nach in diesen zwölf Nächten mit seinem Heer der toten Seelen übers Land. Krankheiten, Hunger, Missernten – es gab früher viel Übel, das auf Fehlverhalten in den Rauhnächten zurückgeführt wurde, wie Marion Putensen von der Ehrhorner Waldkräuterey berichtet.

Neben dem Wort „rau“ steckt auch der Begriff „Rauch“ in den Rauhnächten. Räuchern ist in den überlieferten Ritualen deshalb ein Leitbild für diese Zeit. Putensen selbst hat gerade Pralinen geräuchert. Diese enthalten Bienenwachs und ätherische Öle und sind keineswegs zum Verzehr gedacht. Man stellt sie auf ein Grillkohlestück, um den Wohnraum auszuräuchern. „Früher war das Räuchern mit Heilkräutern ein typisches Ritual, um Dämonen fernzuhalten und Glück ins Haus zu holen.“ Ein anderes Ritual sei das Besenbinden, mit denen man die bösen Geister aus dem Haus gefegt habe.

Wotans "wilde Jagd" verrfängt sich in den Laken

Ungeachtet der Christianisierung hat sich der Aberglaube in der Landbevölkerung lange halten können. Noch heute gibt es Haushalte, in denen an den Haustüren Besen stehen oder in Haustürnähe dekorativ aufgehängt werden. Noch heute hängen viele Menschen zwischen den Jahren keine Laken zum Trocknen raus. „Man glaubte früher, das sich darin die Geister der „wilden Jagd“ verfangen könnten“, sagt Putensen, die ebenfalls ihre Waschmaschine ruhen lassen will. Krankheit und Tod werden damit in Verbindung gebracht. „Und wer Türen knallt, muss mit Blitzen und Unfrieden im Haus rechnen“, führt sie weiter aus. „In dieser heiligen Zeit mussten alle Spinnräder und Mühlräder stillstehen“, erklärt die Gründerin der Waldkräuterey. „Erst am 12. Tag dürfen die Räder wieder in Bewegung gesetzt werden.“

Während früher die Angst vor Krankheit, Hungersnot, Tod oder Unwetter eine wichtige Triebfeder für Bräuche waren, geht es nach Putensen heute um innere Einkehr und das Zuruhekommen. Putensen organisiert seit Jahren in den Rauhnächten angeleitete Wanderungen rund um den Wilseder Berg und Achtsamkeit-Workshops. „In diesem Jahr wären wir total ausgebucht gewesen“, ärgert sie sich ein wenig über Corona. Die einzelnen Tage der Rauhnächte haben jeweils eine eigene Bedeutung.

Am heutigen 28. Dezember, so Putensen, geht es etwa um das Thema Auflösung. Ihr Tipp: An diesem Tag könne man alles Ungute aufschreiben und auf einem zweiten Zettel das Negative ins Positive umformulieren, den Zettel mit den negativen Dingen anschließend verbrennen. Das Negative soll sich gleichsam in Rauch auflösen.

Rauhnächte bieten nicht nur Esoterikern Sinngehalt

In sozialen Netzwerken gibt es Gruppen, in denen die Bräuche der Rauhnächte wiederentdeckt und gemeinschaftlich gepflegt werden. Die Rituale erfreuen sich großer Beliebtheit. Doch ist das am Ende alles Spinnerei für Abergläubische? Man müsse nicht an Dämonen glauben, um sich mit den Rauhnächten zu beschäftigen, lacht Putensen. „An unseren Veranstaltungen nehmen keine Esoteriker teil. Es sind eher Menschen mit Interesse an Brauchtumspflege und solchen, die Freude an Selbstreflexion haben.“ Es sei eine ideale Zeit, um über das Vergangene und sich selbst nachzudenken. Das Räuchern mit Kräutern beuge der Schimmelbildung vor. So hat das Ritual laut Putensen durchaus auch einen praxisnahen Effekt.