BZ-Diskussion: Die Spitzenkandidaten für den Kreistag stellen sich
Das Heidekreis-Klinikum, die Millioneninvestitionen in Schulen und die Finanznöte des Heidekreises waren die bestimmenden Punkte der Podiumsdiskussion, zu der die Böhme-Zeitung Spitzenkandidaten der Parteien zur Kreis- tagswahl am 12. September aus den drei Wahlbereichen des Nordkreises ins Verlagshaus an der Harburger Straße eingeladen hatte. Unter der Leitung von BZ-Reporter Reinhard Vorwerk diskutierten bei der ins Internet live übertragenen Veranstaltung Stefan Sorge (CDU), Melanie Bade (SPD), Carsten Gevers (Grüne), Bernhard Schielke (AfD), Otto Elbers (FDP) und Klaus Grimkowski-Seiler (Bürgerunion). BZ-Reporter André Ricci warf zwischendurch Fragen der Zuhörer ein.
Die Eingangsfrage von Vorwerk bezog sich auf die Forderung der SPD, einen jährlichen Heidekreistag zu veranstalten, um die immer noch seit der Kreisreform von 1977 fortbestehenden Gräben zwischen Nord- und Südkreis zu überwinden. Bade warb für dieses Kennenlernangebot, das auch ein mobiles Programm beinhalte, bei dem die Bürger einmal im Jahr kostenlos mit Bussen die Orte an- fahren können. Der Vorschlag fand Anklang. Nur Sorge lehnte ihn ab, es gebe genug andere Feste. Und Gevers kommentierte ihn damit, dass die SPD einiges gutzumachen habe, da die politisch Verantwortlichen es versäumt hätten, in der Diskussion um das Heidekreis-Klinikum die Bevölkerung mitzunehmen.
„Die Transparenz fehlte.“
Die Eingangsfrage führte automatisch zur HKK-Diskussion, in der Grimkowski-Seiler auch die Besetzung der Führungspositionen in der Kreispolitik mit vorwiegend Personen aus dem Südkreis kritisierte. Bei diesem Punkt sagte Sorge Änderungen voraus, da es einen Personalwechsel in der Kreispolitik gebe. Allerdings entscheiden die künftigen Fraktionen eigenständig.
Während die Standortfrage des neuen Klinikums als Ergebnis des Bürgerentscheids als geklärt betrachtet wurde, wurde die Umsetzung des Baus kritisch gesehen: „Nach derzeitigem Stand ist das HKK nicht baubar“ (Sorge), „nicht finanzierbar“ (Elbers) und „ob es sich rechnet, wird sich erweisen“ (Gevers). Für den Grünen kommt es darauf an, dass sich die Patienten mit dem neuen Haus anfreunden, die verprellten Nordkreisbewohner, die die Krankenhäuser in Rotenburg und Buchholz nutzen, zurückgewonnen werden. Bade klang da ganz optimistisch, als sie in die Vergangheit schaute und als Gegenbeispiel die Verlagerung der Geburtsstation von Soltau nach Walsrode nannte. Dort seien die Nordkreisbewohner auch hingefahren.
Die Bedenken zur Finanzierbarkeit des neuen Klinikums bestehen nicht nur wegen der derzeitigen Baukostensteigerungen, sondern Elbers nannte auch Lücken: Der Landrat habe eine Bausumme von gut 200 Millio- nen Euro genannt, das Land gebe möglicherweise 130 Millionen Euro, der Heidekreis gebe laut Landrat 50 Millionen, was eine Lücke von 20 Milionen Euro er- gebe. Hinzu kämen laut Elbers Baukostensteigerungen von derzeit rund 30 Prozent, was die Finanzierungslücke auf 80 Millionen Euro erhöhe.
Millionenbeträge bei der Schulsanierung vor der Brust
Auf die Frage nach einer Erhöhung der Kreisumlage, die derzeit bei 49 Prozent liegt und die die Kommunen an den Landkreis abführen, ging niemand explizit ein, nur Schielke hatte bei seiner persönlichen Vorstellung zu Beginn der Diskussion die AfD-Forderung nach Senkung der Kreisumlage genannt. Vielmehr nahm Sorge die Frage zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass die Kreispolitik auch ohne die HKK-Finanzierung andere Themen wie den Schulbau vor der Brust habe. Nach Jahren des Schulfriedens werde jetzt zusätzlich mit der Integrierten Gesamtschule (IGS) eine andere Schulform ins Spiel gebracht. Die Millionenbeträge für die Schulsanierungen und den HKK-Neubau könne sich der Landkreis nicht leisten. „Beides führt zum Kollaps.“
Gegen eine IGS führte Sorge ins Feld, dass es im Nordkreis ein gutes, geliedertes Schulangebot gebe. Grimkowski-Seiler pflichtete ihm bei, Schielke brachte den ablehnenden Elternwillen ins Spiel und sagte, das Bildungsgerechtigkeit Differenzierung erfordere. Auch Gevers sah grundsätzlich kein Bedürfnis nach einer IGS. „Die KGS funktioniert hervorragend“, allerdings seien Aspekte wie gemeinsames Lernen bei der IGS positiv. Auf keinen Fall sollten alte Standorte wie Rethem, Hodenhagen oder Bomlitz leiden. „Die SPD ist für eine IGS“, versicherte dagegen Bade. Punkte wie Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit sprächen für diese Schulform.
Beim Thema Klimagerechtigkeit kritisierte Gevers die CDU, die den Grünen-Antrag, alles Verwaltungshandeln unter Klimavorbehalt zu stellen, abgelehnt habe. Schulden für Investitionen in diesem Bereich seien vertretbar, sagte der Grüne, der sich für die Sanierung von Radwegen und eine Verdoppelung des Haushaltsansatzes in diesem Bereich sowie mehr Ladesäulen aussprach.
Sorge, der selbst eine Fotovoltaikanlage (PV-Anlage) und ein Elektroauto besitzt, gab zu bedenken, dass sich die Menschen dieses auch leisten können müssten. Ziel müsse es sein, die Wirtschaft und die Bevölkerung mitzunehmen, allerdings nicht mit Vorgaben, sondern mit Anreizen.
Schielke forderte, bei gewerblichen Flächen an den Autobahnen PV-Anlagen auf den Dächern vorzuschreiben. Bade mahnte an, Standorte für weitere PV-Anlagen zu suchen. Beim von Zuhörern ins Spiel gebrachte Thema öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) plädierte sie für ein intelligent gesteuertes Rufbussystem. Elbers nannte das utopisch, plädierte stattdessen für die Förderung von E-Bikes. Da sah Gevers auch die Arbeitgeber gefordert, gab zudem zu bedenken, dass die Fahrradwege diese Art der Mobilität auch ermöglichen müssten.
Zum Thema Reaktivierung alter Bahnstrecken forderte Sorge, zunächst die Nachfrage zu ermitteln. Elbers und Grimkowski-Seiler sprachen sich für die Nutzung der Strecke Soltau–Bispingen–Lüneburg aus, Schielke sah dort Potenzial im touristischen Bereich. Für die Heidebahn – „eine super Verbindung“ – forderte Elbers, dass Harburg direkt ohne Umsteigen in Buchholz erreicht werden müsse.
Bei der Schlussfrage zu den Erfahrungen mit eineinhalb Jahren Corona traf Bade den Nagel auf den Kopf: Der Ton in den sozialen Medien sei deutlich schärfer geworden, weshalb mehr direkt miteinander geredet werden müsse. „Politik sind wir gemeinsam.“