„Ich passe mich nicht an“
Volker Körlin, 1960 in Braunschweig geboren, sagt von sich, er sei „eigentlich ein Stadtmensch“. Zu Hause ist er seit mehr als 20 Jahren in Großburgwedel, einer Ortschaft mit weniger als 10000 Einwohnern, politisch Interessierten vor allem durch eine Immobilie bekannt. Die private Kreditfinanzierung des Wohnhauses von Ex-Bundespräsident Christian Wulff, dem prominentesten Bürger des Ortes, löste 2011 die Wulff-Affäre aus.
Zum Leben von Körlin ließen sich einige Sätze mit dem Wort „eigentlich“ einleiten. Eigentlich wirbt er, im Serien-Interview der Böhme-Zeitung zum Thema Demografie, für die klassische Vater-Mutter-Kind-Familie und warnt Kinderlose eindringlich davor, dass ihnen im Alter etwas fehlen wird zum Glück. Eigentlich ist der 61-Jährige ein Liberaler, politisch sozialisiert in der FDP, für deren Jugendorganisation Junge Liberale er in den 1980-er Jahren mal den Posten des stellvertretenden Landesvorsitzenden bekleidete. Eigentlich ist er durch und durch Lokalpolitiker, als Ratsherr eine durchaus prägende Figur der Ortspolitik.
Tatsächlich lebt Körlin kinderlos mit seiner Frau zusammen, wechselte 2016 nach 34 Jahren FDP-Mitgliedschaft zur AfD und will nun für diese Partei Politik auf Bundesebene machen. Er ist ist AfD-Direktkandidat im Wahlkreis Rotenburg I/Heidekreis und kandidiert auf Platz 11 der AfD-Landesliste. Er kann das alles erklären.
Einstieg in die Kommunalpolitik auf dem Ticket der AfD
„Der Bruch kam vor der Kommunalwahl 2016“, sagt Körlin. Damals waberte ein Thema mit Sprengkraft durch die Ortspolitik, das sich für Menschen im Heidekreis vertraut anhören dürfte: Es ging um die Zukunft des örtlichen Krankenhauses, des Klinikums Großburgwedel. Körlin zufolge wurde hinter den Kulissen über einen neuen Standort diskutiert, auch innerhalb der FDP. Gegen solche Ideen regte sich Widerstand. Auch Körlin war empört. Er war FDP-Mitglied, aber kein Mandatsträger. Nun wollte er in den Rat, sich einsetzen für den Erhalt der Klinik im Ort. In seiner Partei sah er dafür keine Grundlage. Über AfD-Kommunalpolitiker aus Lehrte – auch um die dortige Klinik gab es in der Vergangenheit harte Debatten – kam er in Kontakt zur Rechtsaußen-Partei. Und trat prompt ein. „Eine schwere Entscheidung, aber ich wollte ja kandidieren“, sagt Körlin. Er zog als einziger AfD-Vertreter ins Lokalparlament ein.
„Eurokritisch war ich auch“, nennt er einen inhaltlichen Punkt, der ihn neben der lokalpolitischen Motivation in die AfD getrieben habe. Das Flüchtlingsthema, das die Gesellschaft 2016 stark polarisierte und der AfD großen Zulauf bescherte, sei nicht entscheidend gewesen. Körlin ist kein Scharfmacher. Er teilt zwar die in rechten Kreisen beliebte These vom „Verfassungsbruch“ der Bundesregierung durch „illegale Grenzöffnung“. Andererseits engagiert er sich als ehrenamtlicher Integrationshelfer, stand in dieser Funktion geflüchteten Menschen aus dem Südsudan zur Seite.
Mit dem rechtsextremen Teil der AfD kann er wenig anfangen. Er verweist auf den niedersächsischen AfD-Landesverband. Das es im Bild vom „moderaten“ Landesverband tiefe Risse gibt, weiß Körlin. „Eine schlimme Sache“ nennt er die Kontakte von Mitgliedern des inzwischen aufgelösten niedersächsischen Jugendverbands der AfD zu NPD-Funktionären.
Spätestens im Bundestag könnte Körlin den harten Rechten in seiner Partei nicht mehr aus dem Weg gehen, sie wären ein Teil seiner Fraktion. Und dann? „Ich passe mich nicht an“, sagt er trotzig. Einschätzungen des Verfassungsschutzes wischt er nicht als belanglos zur Seite, wie andere in der AfD es gerne tun. Bei einer Überwachung der Gesamtpartei „kann man da nicht mehr Mitglied sein“, findet er. Er will mithelfen, dass es nicht soweit kommt. Kann das noch gelingen? „Die weitere Entwicklung der Partei hängt nicht von mir ab“, erklärt der Mann aus der Lokalpolitik.