Pro schärfere Bau-Regulierung
Unser Gastautor Dirk Löhr ist Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier
Die Nachhaltigkeitszielsetzung der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 nur noch zusätzliche 30 Hektar Fläche pro Tag in Anspruch zu nehmen, wurde verfehlt. Tatsächlich liegen wir noch bei knapp beim Doppelten. Das Ziel wurde daher zehn Jahre in die Zukunft verschoben. Der Flächenverbrauch geht vor allem zu Lasten der landwirtschaftlichen Flächen. Der Nutzungsdruck auf das Agrarland erhöht sich ebenfalls aufgrund des Fleischkonsums, dem Ausbau erneuerbarer Energien, der aufkommenden Bioökonomie, aber auch aufgrund von Erosionsprozessen, wie sie vor allem im Nordosten Deutschlands stattfinden.
Zwar schützt das Baurecht die Außenbereiche. Dennoch werden diese angegriffen – zu viel Fläche in den Innenbereichen wird ineffizient genutzt. Dies zeigt sich beispielsweise bei „Schandflecken“ aufgrund von Erbstreitigkeiten, „Enkelgrundstücken“ oder dem spekulativen Vorhalten von Grundstücken. Selbst bei politischem Willen reicht das Instrumentarium in den Händen der Kommunen nicht aus, um diesen Fehlentwicklungen entschieden entgegenzutreten.
Fehlanreize fördern Entstehung von Donut-Dörfern
Vor allem in ländlicheren Gebieten veröden so die Ortskerne, während Neubauten am Rande der Kommunen stattfinden. Auch das jüngst verabschiedete Baulandmobilisierungsgesetz gibt nicht viel Hilfestellung, um solchen „Donuts-Effekten“ entgegenzuwirken. Hinzu kommen eine Reihe von Fehlanreizen: In ländlichen Regionen wollen Bürgermeister durch die Neuausweisung von Bauland dem Einwohnerschwund entgegentreten und ein Wegbrechen von Steuereinnahmen und Zuweisungen vermeiden. Zu selten wird dabei ernsthaft geprüft, ob sich die teuren Baulandneuausweisungen auch rechnen. In der Vergangenheit wurde auch mancher Landwirt über Nacht reich,wenneszu einer Umplanung seiner landwirtschaftlichen Flächen zu Bauland kam – allerdings hat der diesbezügliche Druck im Niedrigzinsumfeld deutlich nachgelassen.
Der Großteil der Baulandneuausweisungen findet gerade nicht dort statt, wo der Siedlungsdruck am größten ist – nämlich im Umfeld der dynamischen Großstädte. Mangel an Bauland macht hier Neuausweisungen kaum mehr möglich, und auch Nachverdichtungen stoßen auf Grenzen. In Deutschland gibt es nicht zu wenig Bauland, aber es befindet sich an den falschen Stellen. Viele Umlandkommunen von Großstädten zeigen auch keinen großen Willen, zu deren Entlastung beizutragen. Die Bürger wünschen oftmals keine weiteren Beeinträchtigungen durch eine Verdichtung ihrer Orte, und die Politik möchte die Idylle nicht stören.
Was aus Sicht der jeweiligen Kommune rational und verständlich erscheint, ist aber für den gesamten Funktionsraum oft nicht hilfreich. Nötig ist daher eine stärkere, die gesamten Funktionsräume umfassende regionale Koordination. Die regionale Steuerungsebene ist in Deutschland zu schwach ausgeprägt, wenngleich es insbesondere in den Metropolräumen Ansätze gibt. Gefordert sind hier in erster Linie die Länder. Allerdings ist politisch ein dickes Brett zu bohren, da eine Stärkung der regionalen Funktionsräume nicht ohne Einschränkungen der grundgesetzlich geschützten Selbstverwaltungshoheit der Kommunen zu erreichen ist.
Ein erster Schritt könnte in der verbindlichen Vorgabe und dem Herunterbrechen von Flächenzielen auf die einzelnen Bundesländer liegen. Müssten Kommunen zudem für die Inanspruchnahme der Kontingente bezahlen, würde dies die Baulandneuausweisungen dorthin lenken, wo sie am dringendsten erforderlich sind. Die Siedlungstätigkeit würde sich kompakter gestalten, weil die knappen Kontingente weniger durch flächenfressende Einfamilienhäuser vergeudet würden. Indessen schreckt die Politik vor solchen Maßnahmen zurück: Ihre Erfolge oder Misserfolge sollen möglichst nicht messbar gemacht und die Beschränkung der Handlungsspielräume von Kommunen und Bürgern vermieden werden.