Kommentar: Neuanfang im Kreis notwendig
Nein, zur Tagesordnung sollte die Kreispolitik nicht übergehen. Das Ergebnis des Bürgerentscheids ist zwar formal eindeutig. In seiner Bedeutung aber stellt es den Landkreis vor Herausforderungen, die größer kaum sein könnten. Denn es macht vor allem eines deutlich: Der Kreis ist in Nord und Süd zerrissen, und eine Befriedung ist nicht in Sicht. Wenn rund 36 Prozent der Wählerinnen und Wähler einen Krankenhausneubau in Bad Fallingbostel ablehnen, ist das ein alarmierendes Signal hinsichtlich der Akzeptanz einer neuen Klinik an diesem Standort. Und die Akzeptanz wirkt sich unmittelbar auf die Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses aus: je weniger Patienten, desto schlechter die Finanzen.
Daher stärkt das Votum auch nicht die Position des Heidekreises im Ringen um Fördergeld aus Hannover. Die Landesregierung wird sich fragen, ob es sich lohnt, einen Krankenhausneubau mitzufinanzieren, dessen Standort von mehr als einem Drittel der Bevölkerung abgelehnt wird – und dies in einer Vehemenz, dass davon auszugehen ist, dass diese Menschen selbst nach Vollendung des Neubaus weiterhin mehrheitlich andere Kliniken aufsuchen werden. Die zentrale Frage der Kreispolitik lautet daher: Wie soll der Kreis so zusammengeführt werden, dass eine gemeinsame Identität entsteht? Dies ist in den vergangenen Jahren nicht gelungen, und es sind keine entsprechenden Anstrengungen für die Zukunft zu erkennen.
Allein darauf zu hoffen, dass die Zeit die Wunden heilt, wäre naiv. Denn viele Menschen im Nordkreis haben sich auch bei der aktuellen Auseinandersetzung lebhaft daran erinnert, wie vor rund zehn Jahren das Heidekreis-Klinikum in Soltau im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen ausgehöhlt worden ist. Und die Ansicht, dass mit einer Konkretisierung der Planungen viele Skeptiker vom neuen Krankenhaus überzeugt werden, ist mit einem dicken Fragezeichen zu versehen. Dazu sind die Wunden zu tief. Die Kreispolitik ist daher gefordert, ein starkes Signal an den nördlichen Teil zu senden. Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Neuanfang auf Kreisebene notwendig – sowohl inhaltlich als auch personell. Mit einem Landrat und nicht wenigen Kreispolitikern, die nicht den Hauch eines Verständnisses für die Interessen des Nordkreises erkennen ließen und in den sozialen Medien teilweise gegen das Ziel des Bürgerentscheids mitgepöbelt haben, wird es keine gedeihliche Zukunft geben können.