Klinik: Schon hunderte Unterschriften
wu Soltau. Mathias Ernst sprüht geradezu vor Enthusiasmus und Euphorie: Das „Bürgerbegehren für zwei gleichwertige Krankenhäuser Soltau und Walsrode“ hat Rückenwind. Denn die Leute, so die Erfahrung des Soltauer CDU-Ratsherrn, lehnen die Kreistags-Entscheidung zur Umstrukturierung des Heidekreis-Klinikums ab, fordern die sogenannte Variante D mit Kinderklinik in Soltau: „Die Menschen wollen diese Lösung, und diese Akzeptanz ist das stärkste Argument“, stellt Ernst zum Kampagnenstart für das Bürgerbegehren am Dienstagabend fest. Der Andrang im Brauhaus ist groß: Dicht gedrängt stehen gut 150 Menschen im Kaminzimmer, wo die CDU-Sprecher Ernst und Volker Wrigge sowie die drei Vertretungsberechtigten Friedhelm Eggers, Bernd Ingendahl und Dr. Christopher Schmidt Ziele und Vorgehen beim Bürgerbegehren erläutern.
Immer wieder schauen Menschen kurz hinein, greifen sich einige Listen, um Unterschriften zu sammeln. 12 000 Unterschriften müssen die Initiatoren vorlegen, damit das Bürgerbegehren erfolgreich ist, der Landkreis einen Bürger¿entscheid abhalten muss, der dann die Kreistags-Entscheidung zur Klinik-Umstrukturierung aushebeln soll. Der erste Stapel ausgefüllter Listen haben die Initiatoren bereits.
Wieviel genau es sind? Mathias Ernst zuckt mit den Schultern. Allein am Dienstagabend haben 120 Menschen unterschrieben, „und ich habe schon mehrere hundert, aber auch die anderen haben schon zahlreiche Listen“. Nun wollen die Initiatoren Vollgas geben, um zu sammeln. Sechs Monate haben sie dafür Zeit, doch bis spätestens Mitte April sollen 12 000 Unterschriften vorliegen. „Je früher wir Klarheit haben, desto besser.“ Dabei ist jeder Heidjer ab 16 Jahren stimmberechtigt. Damit die Unterschrift gilt, müssen die Angaben in der Liste vollständig sein – „auch das Geburtsjahr muss angegeben werden“, sagt Wrigge – und betont: „Das Bürgerbegehren ist ein vollkommen verfassungsmäßiges Recht.“ Mit einem Vorwurf werden die Initiatoren immer wieder konfrontiert: Sie betrieben Kirchturmpolitik. Ernst weist das von sich: „Das ist kein Soltauer Lokalpatriotismus, sondern für den Landkreis die beste Lösung.“ Denn von der auch vom Gutachter favorisierten Struktur-Variante D profitierten alle: Beide Krankenhäuser seien anschließend gleichwertig. Außerdem gehe diese Lösung von deutlich geringeren Verschiebungen der Abteilungen aus.
Jeder Tausch aber führe zunächst zu erheblichen Abwanderungen bei Patienten, „das kann Millioneneinbußen bringen“. Als Sammelstellen, die Listen annehmen, Unterschriften sammeln und Listen ausgeben, fungieren die Löns-Apotheke (Bispingen), die Birken-Apotheke (Bomlitz), die Sonnen- und die Mühlenapotheke (Munster), die Bären-Apotheke (Neuenkirchen), die Bahnhof-, Heide- und Stadt-Apotheke (Schneverdingen), die Alte Stadt-, Löwen-, Medicus-, Nuss-, Rathaus- und Rosen-Apotheke (Soltau) sowie die Stadtapotheke (Walsrode). Auch kann bei allen Gemeinde- und Stadtverwaltungen unterschreiben werden.
Infobox
Mit einem Bürgerbegehren kann beantragt werden, dass die Einwohner über eine Angelegenheit des Landkreises entscheiden. Unzulässig ist es allerdings unter anderem bei Fragen der inneren Organisation der Kreisverwaltung, der Haushaltssatzung und bei Angelegenheiten, die ein gesetzeswidriges Ziel verfolgen oder gegen die guten Sitten verstoßen. Das sieht die niedersächsische Landkreisordnung vor. Ein Bürgerbegehren muss von mindestens zehn Prozent der Bürger, die auch bei einer Kreistagswahl wahlberechtigt sind, unterzeichnet werden. Im Landkreis Soltau-Fallingbostel sind das rund 12 000 Unterschriften von Menschen ab 16 Jahren mit Hauptwohnsitz im Heidekreis. Die Unterschriften sind Voraussetzung für einen Bürger¿entscheid, der wie eine Wahl abläuft. Dabei darf nur mit Ja oder Nein abgestimmt werden. Über die Zulässigkeit entscheidet der Kreisausschuss unverzüglich, wenn die Unterschriften vorliegen.
Der Bürgerentscheid muss dann innerhalb von drei Monaten stattfinden, allerdings nicht gleichzeitig mit einer Kreistagswahl. Die Initiative hat Erfolg, wenn dabei die Mehrheit der gültigen Stimmen auf Ja lautet, sofern diese Mehrheit mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten beträgt. Im Heidekreis sind das knapp 30 000 Voten, die mindestens erforderlich sind. Der Kreistag kann einen Bürgerentscheid abwenden, wenn er zuvor im Sinne des Bürgerbegehrens entscheidet. Beim Heidekreis-Klinikum könnte das Kreisparlament also von sich aus seinen Beschluss vom 28. Januar revidieren. Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Kreistagsbeschlusses. Zwei Jahre lang kann er nur auf Antrag des Kreistags durch einen neuen Bürger¿entscheid geändert werden.