Finanzierungsbedarf von 68 Millionen Euro
Von Bernhard Knapstein
Celle. Rote Zahlen, Unternehmensberater, Personalrotationen, Gerüchte, wegbrechende Patientenzahlen, fehlendes Personal, steigender Stress beim Personalstamm, Sparmaßnahmen, Sparmaßnahmen und noch mehr Sparmaßnahmen. Nein, es geht nicht ums Heidekreis-Klinikum (HKK). Denn auch das AKH Celle, das mit dem HKK kooperiert, befindet sich in einer tiefen Krise, in der von Außenstehenden über eine Insolvenz bereits vor Wochen spekuliert worden ist. Am vergangenen Dienstag hat der Celler Kreistag 33,4 Millionen Euro zusätzliche Mittel zur Rettung der angeschlagenen AKH-Gruppe, zu der das Krankenhaus Peine gehört, freigegeben. Außerdem muss ein bereits gewährter Notkredit in Höhe von zwölf Millionen Euro erst bis 2025 zurückgezahlt werden. Der Kreis hat damit eine finanzielle Stütze von 45 Millionen Euro auf die Beine gestellt.
Die Peiner Klinik ist überschuldet und damit offiziell unmittelbar vor der Insolvenz. Der Landkreis Peine tut sich zurzeit aber schwer, Hilfspakete wirksam freizugeben. Mehr als für Notkredite in Höhe von vier Millionen Euro wollte der Peiner Kreistag nicht einstehen. Für den Kreis ging es um 16 Millionen Euro zuzüglich einer Bürgschaft über weitere 6,4 Millionen Euro. Eine prekäre Situation, in der jetzt der Celler Kreis für die Kollegen in Peine einspringt. Der Grund: Es wird befürchtet, dass eine Insolvenz der Peiner Klinik auch das AKH Celle mit in die Pleite reißt. Der Kreis Peine hat bereits einen Verkauf des Krankenhauses an das städtische Klinikum Braunschweig erwogen, ein Angebot soll es auch bereits gegeben haben. So soll das AKH zwölf Millionen Euro für das Peiner Klinikum fordern. Ob es zu dem Transfer kommen wird, ist offen.
Damit nicht genug: Am vergangenen Freitag legte Celles Oberbürgermeister Jörg Nigge sein Mandat im Aufsichtsrat nieder. Nigge fürchtet ein finanzielles Desaster zu Lasten der Steuerzahler. Er könne den vom Kreistag eingeschlagenen Weg zur Rettung des AKH nicht mehr mittragen. Ob es mit den beschlossenen Finanzspritzen des Celler Kreistags getan ist, ist fraglich. Immerhin, Wirtschaftsprüfer hatten als Perspektive errechnet, dass das AKH ab 2024 weitere 17 Millionen Euro an Ausfallbürgschaften benötigen könnte, wie die Cellesche Zeitung berichtet. Insgesamt hatten die Wirtschaftsprüfer einen Finanzierungsbedarf bis zum Jahr 2024 von 68 Millionen Euro taxiert.
Für die Misere wird der ehemalige Klinikvorstand Stephan Judick verantwortlich gemacht. In seiner Zeit wurden Forderungen an Krankenkassen in Höhe von 16,5 Millionen Euro auf der Habenseite verbucht, die bereits als uneinbringbar galten. Zur finanziellen Überbrückung des Tagesgeschäfts hat der Klinikvorstand zudem einen Baukredit missbraucht. Judick selbst will sich auf die Wirtschaftsprüfer der Klinik verlassen haben, sich auch „jeder juristischen Prüfung“ stellen. Auch der Aufsichtsrat gilt in der Angelegenheit als angezählt. FDP-Kreistagsfraktionsvorsitzender Joachim Falkenhagen nannte einen Rücktritt des Aufsichtsrats „in der Sache zwar keine Lösung, aber folgerichtig“. Die Unruhe um das AKH Celle und die drohende Insolvenz des überschuldeten Krankenhauses Peine hat Auswirkungen bis hinein in den Heidekreis. So wurde bereits im Frühjahr die Munsteraner Außenstelle des vom AKH Celle getragenen medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) Hermannsburg geschlossen. Die dort tätige Ärztin Carola Doorentz konnte den Wegfall der medizinischen Versorgung durch Eröffnung einer eigenen Praxis in Oerrel auffangen. In der Oertzestadt selbst fehlt die zentral gelegene MVZ allerdings.
„Denkbar ist alles“ – Dr. Achim Rogge, HKK-Geschäftsführer
Laut Heidekreis-Klinikum sollen die Celler Entwicklungen allerdings keine Auswirkungen auf das hiesige Krankenhaus haben. Einschränkungen für die Dreierkooperation mit Celle und Bad Bevensen erwartet das HKK dadurch nicht. Auch eine denkbare Zusammenführung zentraler Krankenhaus-Dienstleistungen sei derzeit nicht geplant, sagt HKK-Geschäftsführer Dr. Achim Rogge. „Denkbar ist alles“, schließt Rogge allerdings nicht aus, dass weitere Kooperationen möglich sind. In diesem Sinne arbeitet der IT-Leiter des Heidekreis-Klinikums zurzeit – befristet für ein Jahr – schwerpunktmäßig für das Celler Krankenhaus, um dort seine Expertise einzubringen.