1,6 Millionen Euro Verlust bei HKK
Von Michael Hertel
Heidekreis. Mit Spannung erwarten die Kreistagsabgeordneten die Vorstellung der Bilanz des Heidekreis-Klinikums (HKK) für das abgelaufene Jahr 2012 am heutigen Freitag. In den vergangenen Monaten wurde von Geschäftsleitung und Aufsichtsrat demonstrativer Optimismus verbreitet, Beteiligte forderten außerdem kampagnenartig Solidarität mit dem Klinikunternehmen. Jetzt soll ein unerwartet niedriges Jahresminus die Kreistagsabgeordneten als Vertreter des Eigentümers des Unternehmens in Sicherheit wiegen. Angesichts der bislang über das Geschäftsjahr 2012 vorliegenden Informationen darf allerdings bezweifelt werden, dass es sich bei dieser Summe um die ganze Wahrheit handelt. Der Landrat jedenfalls springt schon mal mit frischen Millionen bei. Vorgestellt wird eine Bilanz für 2012, in der unter dem Strich ein erheblich reduziertes Minus von 1, 62 Millionen Euro steht. Hinzu kommt noch eine Unterdeckung beim Medizinischen Versorgungszentrum am Krankenhaus Walsrode in Höhe von 399 368 Euro. Macht zusammen einen Verlust von gut zwei Millionen Euro. Dies wäre zwar noch immer ein erklecklicher Verlust, im Vergleich zu 2011 aber ein Riesenfortschritt.
Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre, vor allem mit den zahlreichen, nicht eingehaltenen Versprechungen im Zug des höchst umstrittenen Umstrukturierungsprogramms aber werden viele Kreistagsabgeordneten die jetzt aufgemachte Rechnung kritisch von allen Seiten beleuchten. Eine Seite ist beispielsweise der von den Krankenhausberatern Lohfert & Lohfert in einem internen Bericht vom Juni vergangenen Jahres an die Kreistagsabgeordneten angegebene Verlust von 1,86 Millionen Euro allein für den Zeitraum Januar bis Mai 2012. Nach diesem Bericht betrug das Eigenkapital Ende Mai 2012 mit 2,64 Millionen Euro gerade noch 57,4 Prozent des Stammkapitals. Nach Informationen der Böhme-Zeitung erwirtschaftete allein die Kinderklinik Walsrode im vergangenen Jahr ein Minus von rund 1,3 Millionen Euro. Auch die Verluste von Geburtshilfe und Gynäkologie in Walsrode sollen sich nicht zuletzt wegen geringerer Patientenzahlen gegenüber 2011 (minus 500 000 Euro) keinesfalls reduziert haben. Viele werdende Mütter aus dem Norden des Heidekreises sind nach der Schließung von Gynäkologie, Geburtshilfe und Kinderklinik in Soltau zu Krankenhäusern außerhalb des Heidekreises abgewandert (die Böhme-Zeitung berichtete).
Zu den weiteren Verlustbringern, die in so kurzer Zeit kaum die Wende geschafft haben können, gehört unter anderem auch die Soltauer Chirurgie mit einem Minus von 1,6 Millionen Euro in 2011. Anfang Juni 2012 stellte denn auch Landrat Manfred Ostermann fest: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Die Kreistagsabgeordneten konnte diese Einschätzung nicht überraschen, denn im Lagebericht der im Mai vergangenen Jahres vorgestellten Bilanz 2011 (die Öffentlichkeit erfuhr davon erst vor Kurzem) wird in aller Deutlichkeit auf die katas¿trophale Lage hingewiesen: „Der Bestand an liquiden Mitteln ist allerdings gegenüber dem Vorjahr um 8,1 Millionen auf 5,3 Millionen Euro gesunken ... Neben den vorhandenen liquiden Mitteln verfügt das Klinikum über zwei Kontokorrentkreditlinien in Höhe von insgesamt 7.160 T Euro (7,16 Millionen Euro, die Redaktion). Beide Kreditlinien sind mittels Bürgschaft des Landkreises abgesichert. Mithin ist die Liquidität der Klinik sichergestellt.“
Existenzielle Risiken
Der Prognosebericht für 2012 weist auf das Konsolidierungsprogramm mit dem Ziel einer Kosteneinsparung von insgesamt 4,5 Millionen Euro bis 2015 hin, stellt gleichzeitig jedoch fest: „Da nach dem Stand vom April 2012 die geplanten Leistungen nicht erreicht werden und der geplante Stellenabbau offensichtlich nicht in dem gewünschten Umfang realisiert werden kann, ist nach den bis April vorliegenden Ergebnissen ... von einem Jahresfehlbetrag in Höhe von vier bis fünf Millionen Euro auszugehen. Dadurch bestehen Risiken für den Bestand des Klinikums, da das im Jahresabschluss 2011 ausgewiesene Eigenkapital in Höhe von 4,7 Millionen Euro bei diesem Ergebnis Ende 2012 aufgezehrt wäre.“ Auf gut Deutsch: Nach Einschätzung der Wirtschaftsprüfer der KPMG vom April 2012 hat die Gefahr bestanden, dass die HKK GmbH spätestens zum 31. Dezember vergangenen Jahres Insolvenz hätte anmelden müssen. Dass dies vermieden werden konnte, verdankt das Unternehmen nicht allein den zunächst auf Kostenreduzierung konzentrierten Krankenhausberatern von Lohfert & Lohfert.
Ein Eingeweihter erklärt: „Nehmen wir nur das Jahr 2011, in dem ja ein satter Verlust von 5,87 Millionen Euro gemacht wurde. In der Bilanz hat man diese Position mit einer Gewinnrücklage saldiert und kommt so auf ein ausgeglichenes Ergebnis. Diesmal könnte etwas Ähnliches vorliegen. Der erwirtschaftete Verlust reduziert sich durch die Saldierung entsprechend. Das ist eine einfache Subtraktionsrechnung. Man subtrahiert irgendwelche Rückstellungen, die man noch hat, und schon sieht der Verlust nicht mehr so schlimm aus. Bilanztechnisch und rechtlich ist das allerdings legitim.“ Und für die allergrößte Not hat man ja noch Landrat Ostermann, der – wie er kürzlich der Böhme-Zeitung mitteilen ließ – im Oktober vergangenen Jahres ganz ohne größere politische Debatte (lediglich der Kreisausschuss erhielt eine dürre mündliche Mitteilung) dem HKK unabhängig von den im Lagebericht erwähnten Kontokorrentkrediten den Zugriff auf frische Millionen ermöglichte.
Wie der Landrat auf Anfrage der Böhme-Zeitung mitteilte, „stellt der Heidekreis im Rahmen seiner Kassenkreditlinie der Klinikum GmbH von ihm nicht benötigte liquide Mittel zur Verfügung.“ Von diesem Kreis-Dispo in Höhe von 25 Millionen Euro darf sich nach Ostermanns Bewilligung das HKK 6 Millionen Euro abgreifen. Diese vom HKK neu erschlossene Finanzquelle ist umso wertvoller, als für diesen Millionendispo keine zusätzlichen Sicherheiten bei den betreffenden Kreditinstituten hinterlegt werden müssen, wie es ein „normaler“ Kredit etwa in der Form einer Grundstückshypothek erfordert hätte. Grundsätzlich, so stellt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in ihrer HKK-Bilanz 2011 fest, hänge der Bestand des Klinikums für 2012 und 2013 von einer erfolgreichen Umsetzung des Maßnahmenpakets und der „künftigen Aufrechterhaltung der Finanzierung seitens der kreditgebenden Banken“ ab.
Gemeint sind hier die Kreissparkasse Walsrode, deren Verwaltungsrat (vergleichbar mit einem Aufsichtsrat) von HKK-Aufsichtsratsvorsitzendem Hermann Norden geführt wird, und die Kreissparkasse Soltau, dessen Verwaltungsratsvorsitzender HKK-Aufsichtsratsmitglied und SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzender Dieter Möhrmann ist. Ob zwei, sechs oder noch mehr Millionen Euro Verlust: Das HKK scheint für den Heidekreis zum Fass ohne Boden zu werden, denn außer dem Extra-Dispo trägt der Kreis laut Ostermann seit Mitte der 90er-Jahre bis heute Zins- und Tilgungsleistungen für seinerzeitige Bauinvestitionen in Höhe von rund zwei Millionen Euro jährlich. Hinzu kommen immer mal wieder anlassbezogene Extrazahlungen, wie im Februar 2012 mal eben 250 000 Euro zur „Mehrkostenabdeckung“. Ein Ende ist nicht abzusehen, hat doch der Landrat gerade erst medienwirksam angekündigt, dass ein letzter finanzieller „Kraftakt“ zur Rettung des HKK nötig werden könnte. Da ist es nur ein schwacher Trost, wenn Ostermann jetzt die Böhme-Zeitung auf Nachfrage in Sachen „Kraftakt“ wissen lässt, dass es für weitergehende Zahlungen an das HKK „derzeit keine Veranlassung“ gebe.