Schwangere meiden Klinikum

Von Michael Hertel

Soltau/Walsrode. Das Heidekreis-Klinikum (HKK) wird auch das Jahr 2014 mit einem Millionenverlust abschließen und auf Sicht selbst Patient bleiben, der auf Blutauffrischung per staatlicher Dauersubvention angewiesen ist, um weiter am Markt existieren zu können. Geschäftsführer Dr. Christof Kugler, seit Januar 2014 im Amt, ist dennoch zufrieden und bescheinigt dem Krankenhausunternehmen eine positive Entwicklung. Allerdings sorgten jüngst Gerüchte um weitere Verlagerungen von Soltau nach Walsrode für Unruhe unter der Belegschaft – die aktuelle HKK-Analyse. Nach derzeitigem Erkenntnisstand wird die Heidekreis-Klinikum GmbH das Geschäftsjahr 2014 mit einem operativen Minus von 1,6 Millionen Euro abschließen. „Mit diesem Betrag arbeiten wir seit dem Frühjahr in unserem Sanierungsplan. Und wir können jetzt sagen, dass wir diesen Planansatz auch erreichen“, erklärt dazu Geschäftsführer Kugler. Zur Erinnerung: Das Jahr 2011 schloss das HKK mit einem Minus von 5,8 Millionen Euro ab, 2012 brachte ein operatives Minus von 4,2 Millionen Euro und das vergangene Jahr minus 3,3 Millionen Euro.

Nach dem im Frühjahr vorgestellten Wirtschaftsplan des neuen Geschäftsführers würde das HKK ohne die eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen in diesem Jahr ein Minus von 2,2 Millionen Euro ausweisen. Da stellen minus 1,6 Millionen Euro schon eine positive Abweichung dar. Freilich bleibt das HKK auch auf Sicht das, was Kritiker seit langem bemängeln: ein Empfänger von Dauersubventionen in Millionenhöhe. So gewährte der Landkreis dem Krankenhausunternehmen bereits 2012 eine Kreditlinie in Höhe von bis zu sechs Millionen Euro. Im September 2013 wurde ebenfalls vom Landkreis der sogenannte Rettungsschirm aufgespannt und zunächst mit zwei Millionen Euro für das HKK dotiert. Im Dezember vergangenen Jahres gewährte der Kreistag dem HKK drei Millionen Euro frisches Eigenkapital und beschloss außerdem einen sogenannten Betrauungsakt, um weitere „Rettungsschirm“-Zahlungen an das HKK für die nächsten zehn Jahre EU-konform zu gestalten. Schließlich wurde in diesem Jahr die Aktion „Rettungsschirm“ mit einer erneuten Unterstützung von bis zu zwei Millionen Euro fortgeschrieben.

HKK-Geschäftsführer Kugler will nicht von einer Dauersubvention sprechen und gibt zu verstehen, dass sein Haus auf absehbare Zeit allerdings auf „Ertragskostenzuschüsse“ angewiesen sein wird. Immerhin erwartet sein Wirtschaftsplan für das Jahr 2016 erstmals seit langem wieder schwarze Zahlen. Kugler: „Das Thema ,Fass ohne Boden‘ sollte man differenziert sehen. Schließlich ist das Krankenhausunternehmen ein erheblicher Wirtschaftsfaktor in der Region mit mehr als 1000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 65 Millionen Euro.“ Kugler schätzt, dass für je einen Euro Unterstützung etwa 0,50 bis 0,80 Euro in die Region zurückfließen. Und schließlich müssten sich alle Akteure (Politik) und Nutznießer (Bevölkerung, Wirtschaft) der beiden Krankenhäuser in Soltau und Walsrode fragen, wie viel ihnen die Gesundheitsversorgung im Landkreis Wert sei. Dies sollte in einer mittelfristig angelegten Gesundheitskonzeption für den Landkreis zum Ausdruck gebracht werden.

Auf Zuschuss verzichtet

Immerhin kann Kugler angesichts nachhaltiger Unterstützung durch den Landkreis und eines verbesserten Ergebnisses auf einen „Sicherstellungszuschuss“ in Höhe von 1,8 Millionen Euro verzichten, den seine Vorgänger Norbert Jurczyk und Peter Lehmann in der Schlussphase ihrer Geschäftsführertätigkeit bei den Krankenkassen beantragt hatten. Kugler: „Den Antrag habe ich zurückgezogen. Die Kassen hatten signalisiert, dass sie ihm gerichtlich widersprechen würden. Das Ganze hätte unsere gesamte Beziehungsstruktur mit Land und Kostenträger nachhaltig belastet. Wir wollen uns stattdessen auf die eigene Sanierungskraft und strategische Entwicklung verlassen.“

Verlassen kann sich Kugler aber auch weiterhin auf den Trend bei Schwangeren aus dem Nordkreis, das Haus in Walsrode zu meiden (die Böhme-Zeitung berichtete mehrfach darüber). Nach 1225 Geburten in beiden Häusern zusammen im Jahr 2010 gab es im Jahr 2012 nur noch 863 Geburten. Im Sommer 2012 wurde die Soltauer Geburtshilfeabteilung geschlossen. Der Anteil der „Nordkreismütter“ in der Walsroder Geburtshilfe betrug damals nach Recherchen der Böhme-Zeitung lediglich 12,5 Prozent. Wenig genug, aber nach aktuellen Informationen der Böhme-Zeitung hat sich dieser Anteil an den Walsroder Geburten inzwischen noch einmal drastisch reduziert und tendiert gegen null. Im vergangenen Jahr wurden in Walsrode insgesamt 747 Geburten registriert. Für 2014 sieht es nicht besser aus. Die Gesamtzahl der HKK-Geburten werde – so Kugler – bei „knapp 800 liegen“. Der HKK-Chef weiter: „Die Mütter aus dem Nordkreis sind offensichtlich sehr mobil – sie gehen in Krankenhäuser, die genauso weit entfernt liegen wie die Klinik in Walsrode.“

Hier will Kugler nun Konsequenzen ziehen und Abhilfe schaffen. Das Hebammen-Geburtshaus in den Räumen des HKK-Krankenhauses Soltau, das mit einem Zuschuss der Ansiedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Soltau „bis zum ersten Quartal 2015“ realisiert werden soll, ist für Kugler dabei nur die erste Stufe einer „Vision“, über die er noch nicht explizit sprechen will. So viel ist klar: Das Hebammen-Geburtshaus mit 30 bis 50 Geburten pro Jahr kann und soll die 2012 geschlossene Soltauer HKK-Geburtshilfeabteilung nicht ersetzen, zumal die Hebammen, auch wenn sie in Krankenhaus-Räumen tätig werden, auf ärztliche Hilfe verzichten müssen. Kugler aber wünscht sich neben dem von Hebammen geführten Geburtshaus im Soltauer Krankenhaus mittelfristig auch wieder einen klinischen Kreißsaal, allerdings ohne Risikogeburten, für die Walsrode allein zuständig bleiben soll: „Die Strukturen sind ja noch vorhanden“, begründet der HKK-Chef seinen Vorstoß. Damit könnte das HKK den sehnlichen Wunsch von Soltaus neuem Bürgermeister Helge Röbbert erfüllen, in Personalausweisen solle in der Zeile „Geburtsort“ wieder vermehrt „Soltau“ vermerkt sein.

Herzkatheterlabor boomt

Erfreulich scheint sich das Herzkatheterlabor zu entwickeln, wo inzwischen sogar die nicht eben billige 24-Stunden-Bereitschaft eingeführt wurde. Kugler spricht gar von einem regelrechten Boom durch „massiven Patientenzuwachs im Bereich der echten Daseinsvorsorge“. Die Zahlen könnten noch besser sein, hätte Kugler seinen Plan, die DRK-Notarztwagen des Landkreises an seinen Krankenhäusern zu stationieren, schon umsetzen können. Hier meldet der Geschäftsführer bedingte Fortschritte.

Ivena 2015 einführen

So soll zu Beginn des neuen Jahres im Heidekreis ein hochmodernes elektronisches Patientenzuweisungssystem mit Namen Ivena eingeführt werden, das bereits in Hessen und anderen Bundesländern erfolgreich betrieben werde und Notfallpatienten indikationsgerecht in die entsprechenden Kliniken weisen soll. In Walsrode liege man mit dem dortigen DRK-Verband auf einer Linie. „Die wollen lieber heute als morgen ihre Notarztwache auf dem Krankenhausgelände bauen.“ In Soltau dagegen seien noch gewisse Widerstände zu überwinden. Kugler ist aber optimistisch, dass beide Wachen im Zeitraum 2017/2018 stehen werden. So erfreulich sich das Herzkatheterlabor zu entwickeln scheint, bereitet andererseits die derzeitige Auslastung der OP-Säle beider Häuser Sorgen. In diesem Zusammenhang sorgten jüngst Gerüchte um weitere Verlagerungen für Unruhe unter HKK-Mitarbeitern. So soll angeblich die unfallchirurgische Abteilung in Soltau geschlossen und nach Walsrode verlagert werden, um die dortigen OP-Kapazitäten besser auslasten zu können. In diesem Zusammenhang böte sich gleich noch die Schließung der Anästhesieabteilung in Soltau an.

Auf diese Pläne angesprochen, widerspricht Kugler energisch, räumt aber gleichzeitig ein, dass derartiges in den entsprechenden Leitungsgremien als „Planspiele“ diskutiert worden sei: „Diese Szenarien wurden intern besprochen, rein rechnerisch durchgespielt. Wenn wir ein solches Zahlenspiel begonnen haben – Was kostet es, wie wäre es machbar? –, kommt natürlich anschließend die Frag1estellung: Was machen wir denn nun? Und da habe ich den Mitarbeitern auch per Intranet mitgeteilt: Nein, wir verlagern die Unfallchirurgie nicht, und wir schließen auch die Anästhesie nicht.“ Ein weiteres Problem stellen Bettenbelegung und Personalausstattung in Soltau dar. So wurden im Juni die beiden chirurgischen Bettenstationen zusammengelegt, was dazu führte, dass in regulären Dreibett-Zimmern vier Patienten untergebracht werden mussten. Einzelzimmer-Belegungen können derzeit praktisch gar nicht angeboten werden.

Laut Kugler war das auf einen kurzfristigen Personalengpass zurückzuführen: „Es gibt bei uns, wie an allen Krankenhäusern, die keine gute Personalentwicklungspolitik betrieben haben, einen Mangel im Bereich der Pflege durch Überalterung des Personals. Da haben wir Krankheitsausfälle, die man nicht planen kann.“ Kugler will diesem Mangel mittelfristig durch eine weitere Attraktivitätssteigerung der Schwesternschule in Walsrode begegnen. „Gerade haben wir einen ganzen Kursus mit 15 Personen als Arbeitskräfte übernommen.“ Der HKK-Chef sieht hier allerdings nicht nur ein hausgemachtes Problem: „Nach 20 Jahren Kostendämpfung im Gesundheitswesen hat das Berufsfeld stark an Attraktivität verloren – auch von den Gehältern her. Wir können aber als ein Haus mit Erlösproblemen nichts draufzahlen.“

Nach derzeitigem Kenntnisstand wird die Heidekreis-Klinikum GmbH das Geschäftsjahr 2014 mit einem operativen Minus von 1,6 Millionen Euro abschließen. Im Jahr zuvor betrug das Minus noch 3,3 Millionen Euro. Foto: wu

Nach derzeitigem Kenntnisstand wird die Heidekreis-Klinikum GmbH das Geschäftsjahr 2014 mit einem operativen Minus von 1,6 Millionen Euro abschließen. Im Jahr zuvor betrug das Minus noch 3,3 Millionen Euro. Foto: wu

Michael Hertel