Zweifel an Rettungschance für das Heidekreis-Klinikum
Von Michael Hertel
Soltau/Walsrode. Das Heidekreis-Klinikum (HKK) kommt nicht zur Ruhe: Wie die Böhme-Zeitung auf Anfrage erfuhr, hat sich die Fertigstellung des Soltauer Anbaus des Linksherzkatheterlabors (LHK) durch die Insolvenz eines am Bau beteiligten Unternehmens weiter verzögert. Die HKK-Geschäftsführung hofft nun, den Neubau zu Weihnachten fertigstellen zu können. Sicher ist das Datum aber keineswegs. Ein weiterer Rückschlag ist die Schließung des Perinatalzentrums in Walsrode. Damit wird ein Bereich abgewickelt, der von der Geschäftsführung seit 2008 als „wichtige Säule im Zukunftskonzept des HKK“ bezeichnet wurde. Unterdessen hat erstmals ein Soltauer Kreistagsabgeordneter öffentlich Zweifel an der Rettungsfähigkeit des HKK geäußert.
Das der Walsroder Geburtshilfe angegliederte „Perinatalzentrum Level 2“, in dem intensivtherapiebedürftige Frühgeborene behandelt werden können, galt immer als eindeutiger Beleg für die Zukunftsfähigkeit des HKK. Diese „zukunftsfähige“ Einrichtung, für die auf der HKK-Homepage nach wie vor intensiv geworben wird, ist offiziell ab 31. Dezember dieses Jahres Vergangenheit, wie HKK-Pressesprecher Christian Zappe die Böhme-Zeitung auf Anfrage wissen ließ. Die Mitarbeiter informierte die Geschäftsleitung bereits Mitte September über die Schließung des Perinatalzentrums. Begründet wurde sie mit „verschärften Strukturvoraussetzungen des gemeinsamen Bundesausschusses“ für die sogenannten Level-2-Kinder. Demnach ist ab 2014 bundesweit vorgeschrieben, dass ein Perinatalzentrum über mindestens zwei entsprechende ärztliche Fachleute – sogenannte Neonatologen – verfügt.
Weitere Vorschrift: Für jeweils zwei „Frühchen“ muss künftig eine Fachpflegekraft zur Verfügung stehen. Die neuen Voraussetzungen kann das HKK nicht bieten. Aber auch derzeit ist das Krankenhaus Walsrode nach Informationen der Böhme-Zeitung auf Extrem-Frühchen nicht mehr eingerichtet, denn die letzte im Perinatalzentrum einsetzbare „Intensivschwester“ hatte bereits im Frühjahr dieses Jahres gekündigt. Und der einzige Perinatologe, Dr. Matthias Jahn, ist am 1. Oktober ausgeschieden.
Zu niedrige Zahlen
Erst im letzten Absatz der Mitteilung der Geschäftsleitung an die Mitarbeiter wird ein weiterer Grund genannt, den Kritiker als eigentliche Hauptursache für das Aus des Perinatalzentrums ansehen. Da heißt es: „Zu dieser Entscheidung hat auch beigetragen, dass das hiesige Versorgungsgebiet nicht die erforderliche Anzahl an Level-2-Kindern hat, um diesen Bereich dauerhaft wirtschaftlich betreiben zu können.“ Auf gut deutsch: Die Umstrukturierer waren viel zu optimistisch in der Annahme, über spezielle und von den Kassen gut bezahlte Leistungen für Risikogeburten mehr Umsatz und verbesserte Ergebnisse erzielen zu können. Der HKK-Pressesprecher musste denn auch auf Nachfrage einräumen, dass das Perinatalzentrum in diesem Jahr nur ein einziges Frühchen behandelt hat.
Bei einem weiteren „Zukunftsbereich“, dem Neubau des LHK in Soltau, verzögert sich die Fertigstellung. Als Grund gibt die Geschäftsführung die Insolvenz einer am Bau beteiligten Firma an. Zappe: „Sehr wahrscheinlich werden wir den LHK-Anbau noch in diesem Jahr eröffnen können.“ Die veranschlagten Kosten von zwei Millionen Euro würden dabei nicht überschritten, heißt es. Bleibt zu hoffen, dass sich die Geschäftsführung beim LHK-Patientenaufkommen nicht genau so verrechnet hat wie beim Perinatalzentrum.
Unterdessen hat ein Soltauer Kreistagsabgeordneter, das frühere langjährige Mitglied des HKK-Aufsichtsrats, Dietrich Wiedemann (Grüne), erstmals öffentlich Zweifel daran geäußert, das angeschlagene Krankenhausunternehmen könne gerettet werden. Gegenüber der Böhme-Zeitung wiederholte Wiedemann seine öffentlich gemachte Einschätzung, das HKK habe bereits kurz vor der Pleite gestanden: „In der Kreistags-Beschlussvorlage vom 20. September stand es deutlich drin. Es war sehr knapp. Ohne den Zwei-Millionen-Zuschuss hätte die HKK GmbH nach drei Wochen zum Insolvenzrichter gehen müssen.“ Zur Situation des Krankenhaus-Unternehmens erklärte der Jurist und pensionierte Finanzbeamte der Böhme-Zeitung: „Von der Liquidität her steht man noch nicht kritisch da. Es geht um das Kriterium der Überschuldung. Wenn das Kapital verzehrt ist, kommt man in die roten Zahlen. Und eine Überschuldung führt zur Insolvenz.“
Erfolge fehlen
Wiedemanns Fazit: „Ich bin pessimistisch. Das ist natürlich eine Wertung. Die einzige Tatsache, die wir haben, ist die, dass sich das Stammkapital zwischen 50 Prozent und null bewegt. Die nötigen Erfolge – schwarze Zahlen – treten ja nicht ein. Mir wird immer wieder versichert: Demnächst wird es besser ... Ich wäre für eine Strukturreform. Aber ich kann mich nicht durchsetzen, denn in diesem Punkt wäre ich der Einzige, der die Hand heben würde“, bekennt Wiedemann. Und auf die Frage, warum er erst jetzt seine Stimme erhebt, antwortete der Kreistagsabgeordnete: „Intern tue ich das schon immer. Da stimme ich nicht mit der Mehrheit; aber nach außen hin schon.“
Tatsächlich kommt das HKK den Kreis in diesem Jahr teuer zu stehen: 2 Millionen Euro jährliche Zins- und Tilgungslasten aus früheren Investitionen, rund 2,7 Millionen Eigenkapitalverlust seit 2012, eine vom Landrat Mitte 2012 gewährte Kreditlinie von sechs Millionen Euro, von der man nicht genau erfährt, inwieweit sie bereits ausgeschöpft wurde, sowie ein vom Kreistag im September gewährter 2-Millionen-Zuschuss, um die Insolvenz zu vermeiden. Seit nunmehr drei Jahren bekommt die Öffentlichkeit von der Politik in Sachen HKK nur schlechte Nachrichten und optimistische Prognosen zu hören. Nach operativen Verlusten in Höhe von zusammen rund zehn Millionen Euro in den Jahren 2011 und 2012 prognostizierte Geschäftsführer Peter Lehmann noch im April dieses Jahres für 2013 ein Minus von lediglich rund 500 000 Euro. Für 2014 wurde gar die Rückkehr in die Gewinnzone versprochen.
In der Praxis sieht es nach Informationen der Böhme-Zeitung ganz anders aus. So sollen inzwischen praktisch alle Abteilungen beider Krankenhäuser – mit Ausnahme der Gastro-Enterologie in Walsrode – sechs- bis siebenstellige Verluste einfahren. Warnungen von Experten vor einer nicht fachgerechten und einseitigen Umstrukturierung gab es zahlreich. Dass die beiden Krankenhäuser nicht wirtschaftlich arbeiten, liegt aber sicher nicht an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Tag für Tag ihr Bestes geben. Kein Wunder also, wenn die Stimmung in den beiden Krankenhäusern angesichts der angespannten Situation nicht die beste sein soll. Schon eher verwundert da, dass der Betriebsratsvorsitzende Rainer Oberüber eine Stellungnahme gegenüber der Böhme-Zeitung verweigert.