Podiumsdiskussion vor der Bundestagswahl in der KGS in Schneverdingen

Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 10 bis 13 verfolgen im Forum der KGS die Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl. Vor und nach der Diskussion setzen sie Schüler der Oberstufe probeweise in vorbereiteten Wahlkabinen ihre Kreuze. Foto: sus

„Politik persönlich“, unter diesem Motto diskutieren die Schüler der KGS mit den Kandidaten zur Bundestagswahl

Viele von ihnen wählen am kommenden Sonntag zum ersten Mal: Für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Jahrgänge 10 bis 13 der KGS Schneverdingen gab es jetzt mit dem Format „Politik persönlich“ eine Entscheidungshilfe. Sie diskutierten mit den Direktkandidaten für den Wahlkreis 35, Rotenburg 1/Heidekreis, von AfD, CDU, FDP und SPD. Die Kandidatin der Grünen, Canina Ruzicka, wurde von Landesvorsitzender Greta Garlich vertreten. Linke und BSW hatten abgesagt.

Dabei kam die Klimapolitik gleich als erstes Thema zur Sprache. Denn dieses und die Themen Sicherheit und Demokratie, so erläuterte zuvor Politiklehrer Lars Brockmann, seien bei der Erarbeitung der Fragen den jungen Leuten besonders wichtig gewesen. Aus dem 13. Jahrgang führten Ben Ole Oertel und Maximilian Wenzel als Moderatoren souverän durch die Diskussion.

Oertel wollte zunächst von den Kandidaten wissen, wie sie das deutsche Ziel, bis 2045 CO₂-neutral zu sein, erreichen wollen. Keinen Gegensatz zwischen Klima- und Wirtschaftspolitik sahen Lars Klingbeil (SPD) und Greta Garlich (Grüne). Während Garlich die soziale Frage und die Bezahlbarkeit beispielsweise bei E-Autos herausstellte, denn aus ihrer Sicht „brauchen wir vor allem eine Antriebswende“, und betonte, dass das „Klima auch die größte Gefahr für die Sicherheit in Deutschland“ sei, sprach Klingbeil die besondere Situation im ländlichen Raum an, die andere Lösungen als in den Städten erfordere.

Wir sollten den Schwerpunkt auf neue Ideen, auf Forschung, auf Wissenschaft legen.
— Gurdan Kerti, FDP-Direktkandidat

Als konkrete Maßnahmen nannte er Elektromobilität und grünen Stahl hierzulande zu fördern und zu produzieren. Dafür bedürfe es entsprechender Rahmenbedingungen. Auf dem Land müsse man dafür sorgen, den Nahverkehr mit Ruf-, Sammeltaxis und Bürgerbussen auszubauen. Zugleich sprach er sich auch gegen Verbote aus. „Klimawandel ist nicht wegzudenken. Der ist real und wir müssen auch darüber sprechen, was das mit uns macht“, betonte Vivian Tauschwitz (CDU). Dabei stellten sich die Fragen „Wie ernähren wir uns und wie können unsere Landwirte hier vor Ort noch produzieren?“ Grundsätzlich sei es falsch, dazu mit Verboten zu agieren. Man müsse technologieoffen bleiben, schauen, welche innovativen Ideen funktionierten.

Gurdan Kerti (FPD) und Omid Najafi (AfD) verwiesen genau auf diesen Gegensatz zwischen Klimaschutz und Wirtschaft. Ihre Priorität lag auf letzterer. Kerti betonte die Technologieoffenheit: „Wir sollten den Schwerpunkt auf neue Ideen, auf Forschung, auf Wissenschaft legen. Auf junge Leute wie euch, die junge Ideen mitbringen, wie wir die Klimaneutralität schneller erreichen können.“ Mit den jetzigen Maßnahmen gelinge das nicht: „Wir müssen klimaneutral werden. Aber wir dürfen euch dabei nicht arm machen.“

Für Najafi sollte das Thema Klimawandel global angegangen werden. Bei ihm hakte Oertel nach, wollte wissen, welche Maßnahmen er oder seine Partei ergreifen wolle. „Wir müssen jetzt auf politischer Ebene mit unseren Partnern vor allem auch auf der EU-Ebene sprechen.“ Deutschland alleine verhebe sich da.

Die Migrationsdebatte läuft gerade völlig schief.
— Lars Klingbeil, SPD-Direktkandidat

Moderator Wenzel ging es schließlich um die Gesetzesforderungen der CDU im Bundestag nach dem Anschlag in Aschaffenburg. Als Streitpunkt entwickelte sich die Frage, ob die deutsche Außengrenze in der Folge faktisch dicht gewesen wäre. „Die Migrationsdebatte in Deutschland läuft gerade völlig schief“, stellte Klingebeil dazu fest. Auf dem Rücken von Menschen mit Migrationsgeschichte werde von einigen Politik gemacht. Dennoch erklärte er auch, dass Menschen, die das Willkommen ausnutzten und kriminell seien, ausgewiesen werden müssten. Was dafür nötig wäre, „hätten wir auch zusammen ohne die AfD im Bundestag beschließen können.“ Der Antrag der CDU hätte aber dazu geführt, „dass unsere Grenzen faktisch dicht sind.“ Deutschland, so Klingbeil, solle aber kein abgeschottetes Land sein, das seine Humanität verliert.

Letzterem widersprach Najafi ausdrücklich, argumentierte mit Zahlen aus Polizeistatistiken von 2022 und 2023. Den Fünf-Punkte-Plan der CDU begründete Trauschwitz mit dem Sicherheitsempfinden der Menschen, das aufrechterhalten werden müsse. Menschen, die sich nicht benehmen, müssten nach Hause gehen. Wer sich integrieren, sei „natürlich herzlich willkommen.“ Innerhalb der EU gebe es Regeln zum Asyl und die sollten greifen, insbesondere zur Verteilung der Asylsuchenden.

Nur eine Minderheit zerstöre den Ruf aller Migranten“, erklärte Kerti. Deshalb sei es wichtig, dass „wir jetzt konsequent dagegen vorgehen.“ Eine faktisch dichte Grenze sah er ähnlich wie Tauschwitz aufgrund des CDU-Antrages nicht. Sie werde nur stärker bewacht, Personen ohne Papiere werde die Einreise verwehrt. Deshalb habe die FDP dem Antrag der CDU zugestimmt. Insgesamt wolle die FDP Migration.

Garlich warnte davor, alle Menschen unter Generalverdacht zu stellen. Sicherheit, Asyl und Migration dürfe man nicht miteinander vermischen. „In einem Punkt sind wir überein, es werden keine Grenzen dicht gemacht, weil es schlichtweg nicht umsetzbar ist.“ Daher sei es unseriös, solche Anträge im Bundestag zur Abstimmung zu bringen. „Wir müssen als EU enger zusammenarbeiten.“

Wie steht’s um den Schutz der Demokratie?

Beim Thema „Schutz der Demokratie“ ging es insbesondere um die sogenannten Brandmauer. Najafi sah diese selbst als eine „Gefährdung der Demokratie“. Ängste, Sorgen und Nöte der Bürger würden von „den anderen Parteien, die sich immer abwechselnd in Regierungsverantwortung ausgetauscht“ hätten, vernachlässigt. Die aktuellen Probleme seien „nur die Folge des politischen Versagens der letzten Jahre“.

„Ich bin klar dafür, dass wir Anträge, die wir für richtig und mit dem Gesetz vereinbar halten, auch stellen“, sagte Tauschwitz. Sie bedauerte, dass die anderen Parteien nicht alle mitgezogen hätten. „Wenn wir nicht endlich die Themen und Ängste der Bürger ernst nehmen, die faktisch vorhanden sind, dann werden diese Stimmen zur AfD gehen“, antwortete Kerti und forderte Aktionen im Bundestag in diese Richtung.

Klingbeil beschrieb sein Empfinden bei der Abstimmung: „Da saßen eine feiernde Alice Weidel und die anderen von der AfD. Das war ein Tiefpunkt.“ Und den habe Friedrich Merz zu verantworten. Die CDU sei aber eine demokratische Partei, mit „Aufrechten“, die sich anders geäußert hätten. Deswegen sei es richtig, „dass wir mit den demokratischen Parteien zusammenbleiben, versuchen, Brücken zu bauen und die Probleme zu lösen.“ Um diejenigen, die aus Unzufriedenheit die AfD wählten, möchte er kämpfen. Die Partei habe nicht die besten Antworten.

Demokratie ist auch immer eine Verhandlungssache
— Greta Garlich, Landesvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grüne

Demokratie sei auch immer eine Verhandlungssache, so Garlich. Das mache nicht jedem Spaß, sagte sie mit Verweis auf Trump und Merz. SPD und Grüne hätten lange Zeit mit der CDU versucht, Kompromisse zu finden. Sie wünschte sich für den Schutz der Demokratie zudem eine bessere Stellung des Ehrenamtes, das für einen starken Zusammenhalt wichtig sei.

Mit Fragen aus dem Publikum wurde insbesondere AfD-Mann Najafi konfrontiert. Dabei ging es um Äußerungen seiner Parteivorsitzenden Weidel zum nicht vorhandenen Klimawandel, um das Abschiebeticket, das an NS-Praktiken erinnere, sowie um die Tatsache, das Teile der AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft werden.

Aus Najafis Sicht gibt es keine Rechtsextremen in der AfD. Denn diese würden ausgeschlossen. Zur Aussage, es gebe nicht mal Rassisten, gab es aus dem Publikum irritiertes Lachen. Najafi legte dar, dass man keine Angst vor der AfD zu haben brauche, er selber Rassismus von links erfahre, diese eine ganz normale Partei sei. Das Abschiebeticket mit der NS-Zeit zu vergleichen, hielt Najafi „für eine Verharmlosung des Nationalsozialismus“. Diese Idee halte er selber nicht für gut, „weil wir bereits einen Ruf haben“.

Natürlich sei die Frage zur NS-Zeit zulässig, entgegnete Klingbeil. Wenn man da historisch drauf schaue, dann sehe man, „dass andere Parteien, die in der deutschen Geschichte rechtsextrem waren, das genauso gemacht haben“. Der Sozialdemokrat sprach Najafi auch direkt an – unterstützt von Applaus aus dem Publikum: „Sie tun immer so, als ob Sie mit der AfD nichts zu tun haben, also mit all diesen rechtsextremen Ausfällen in der AfD. Ich würde mir wünschen, dass Sie wenigstens mal zu dem Kram stehen, den Ihre Partei macht. Aber immer so zu tun, als ob Sie damit nichts zu tun haben, das funktioniert doch nicht.“

Auch Najafi fand unter einem Teil der Jugendlichen Zustimmung. Vor allem aus den hinteren Reihen war bei seinen Wortbeiträgen Applaus zu hören. Dagegen schafft es Klingbeil in vielen Punkten, insbesondere bei den Themen Krieg in der Ukraine, Migration und Schutz der Demokratie, die Mehrheit im Publikum abzuholen. Das schlug sich auch in den Wahlergebnissen der Probewahl nieder (siehe Infobox).


Jahrgänge 11 bis 13 wählen zur Probe

Linke und Klingbeil liegen vorne

„Ihr seid fast alle Jungwählerinnen und Jungwähler, Erstwählerinnen und Erstwähler, nutzt eure Chance, am 23. Februar eurer Stimme Ausdruck zu verleihen“, appellierte Schulleiter Mani Taghi Khani zu Beginn und am Schluss der Diskussion an die Jugendlichen. Vor und nach der Podiumsdiskussion wählten die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 11 bis 13 schon einmal probeweise. Dabei sticht heraus, dass bei den Zweitstimmen in beiden Fällen die Linke die meisten Stimmen erhält (rund 28 Prozent und 26 Prozent), obwohl die Partei nicht einmal bei der Diskussion vertreten war. Bei dem zweiten Durchlauf beteiligten sich aber auch insgesamt mehr Jugendliche, als im ersten.

Bei den Erststimmen liegt in beiden Fällen Lars Klingbeil (SPD) mit circa 49,1 Prozent vorn und kann seinen Vorsprung beim zweiten Wahlgang mit rund 61 Prozent ausbauen. Bei den Zweitstimmen bleibt die SPD mit rund 21,6 und 20,7 Prozent jeweils auf dem zweiten Platz nach der Linken. Vivian Tauschwitz verliert im zweiten Wahlgang Erstwählerstimmen an Gurdan Kerti (FDP) und Klingbeil, auch wenn sie trotzdem auf dem zweiten Platz nach Klingbeil bleibt. Ihre Erststimmen fallen von 23,4 auf 12,3 Prozent. Die Zweitstimmen für die CDU bleiben jeweils bei rund 17,1 Prozent hinter Linke und SPD.

Bündnis 90/Die Grünen sind sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen abgeschlagen, daran ändert auch der zweite Wahlgang nicht viel. Stattdessen können Gurdan Kerti und die FDP im zweiten Durchgang Erst- und Zweitstimmen dazu gewinnen. Omi Najafi (AfD) landet bei den Erststimmen in beiden Durchgängen nach Vivian Tauschwitz (CDU) auf dem dritten Platz. Bei den Zweitstimmen überholt die FDP die AfD im zweiten Wahldurchlauf. sus