Alle stehen zusammen, nur einer nicht
Personalangelegenheiten, Ernennungen von Feuerwehrmännern, selbst der neue Imagefilm der Stadt Schneverdingen gerieten am Donnerstag bei der Ratsversammlung im Forum der Kooperativen Gesamtschule (KGS) in den Hintergrund. Die von der SPD-Grünen-Gruppe initiierte und von CDU-Fraktion sowie der SWG-FDP-Gruppe unterstütze Resolution für Demokratie führte zu einem Eklat mit AfD-Ratsherr Rainer Oberüber. Er lehnte es ab, das Bekenntnis für ein buntes, tolerantes Schneverdingen zu unterschreiben. Mit Unterstellungen und einer unangemessenen, weil an die Rolle der SPD im Nationalsozialismus anknüpfenden Opferhaltung rechtfertigte Oberüber seine Ablehnung.
Rat steht für demokratische Prinzipien und Menschenrechte auf
Die Ratsmitglieder setzten mit dem Bekenntnis ein starkes Zeichen für Vielfalt und Demokratie. „Mit jeder Unterschrift erhält die Resolution mehr Kraft“, sagte Ratsvorsitzender Michael Schirmer. Nacheinander nach alphabetischer Reihenfolge stand jeder Ratsherr, jede Ratsfrau auf, um in der Mitte des Rates mit seinem und ihrem Namen für die im Grundgesetz verankerten demokratischen Prinzipien und die Menschenrechte einzustehen. Symbolisch stand der Rat auf. Auch die Verwaltungsspitze mit Bürgermeisterin Meike Moog-Steffens sowie die Gäste im Publikum erhoben sich, um sinnbildlich „Wir stehen zusammen für Demokratie! - Schneverdingen bleibt bunt und tolerant!“ zu manifestieren. Nur einer blieb sitzen.
AfD-Ratsherr verweigert Bekenntnis für Demokratie
„Ich kann die Resolution nicht mittragen“, sagte Oberüber. Er stieß sich an der einleitenden Formulierung, „dass Rechtsextremisten zusammen mit vermeintlich konservativen Politikangehörigen bei einem Treffen die massenhafte Vertreibung von Menschen aus unserem Land diskutieren“. CDU und AfD seien nicht rechtsextrem, so Oberüber, der frühere Betriebratsvorsitzende am Heidekreis-Klinikum. Das vom Recherchenetzwerk Correctiv aufgedeckte Treffen in Potsdam, bei dem die massenhafte Vertreibung von Menschen (Remigration) diskutiert wurde, ist nicht nur Auslöser für zahlreiche bundesweite Gegendemonstrationen mit Millionen von Bundesbürgern, sondern auch für die Neuauflage einer bereits 2007 gefassten Resolution in Schneverdingen. „Hier sind erschreckende Parallelen zu den dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte zu erkennen“, heißt es darin, „Wer solche Pläne schmiedet, wendet sich gegen alle Prinzipien, Werte und Regeln, auf denen unser Zusammenleben als freie Gesellschaft mit einer pluralistischen, freiheitlichen demokratischen Grundordnung basiert.“ Oberüber verspielte die Chance, sich dazu zu bekennen.
Empörung aus dem Publikum
Zudem begab er sich in eine Opferhaltung, indem er vorgab, sich jetzt besser vorzustellen, wie sich die SPD-Mitglieder 1933 gefühlt haben müssen. Er spielte damit auf das im Nationalsozialismus verhängte Verbot der SPD und die Verfolgung deren Mitglieder an. So ähnlich werde jetzt mit der AfD umgegangen. Spontan rief Dieter Möhrmann, langjähriger Ratsvorsitzender und Vizepräsident des Landtags in Hannover, seine Empörung aus. Doch damit nicht genug: Oberüber verbreitete zudem die Verschwörungserzählung, dass Demonstranten für ihren Protest gegen Rechtsextremismus Geld bekommen würden. Grünen-Ratsherr Sebastian Tietzel rang um Worte vor lauter Fassungslosigkeit.
Klare Worte von Bürgermeisterin
Klare, deutliche Worte fand die Bürgermeisterin. „Ich bin entsetzt über ihre Worte“, sagte sie, „uns zu unterstellen, wir wären bezahlt worden, an der Demonstration gegen rechts teilgenommen zu haben.“ Als sie ihn fragte, ob er eigentlich dabei gewesen sei, verneinte er. Er hätte keine Zeit gehabt. Bezüglich der Bezahlung von Demonstranten wolle er Schneverdingen ausnehmen. Aber in Walsrode sei es so gewesen. Moog-Steffens unterbrach ihn: „Unglaublich, diese Unterstellungen. Und der Vergleich mit 1933 und der SPD, das schlägt dem Fass den Boden aus.“ Sie sei zutiefst entsetzt, dass Fakten derart verdreht würden, und müsse sich erst einmal sammeln. Daraufhin brandete erneut Applaus auf. Wie vielfältig und bunt Schneverdingen tatsächlich ist, zeigte der gerade fertiggestellte Imagefilm der Stadt, der wie eine Bekräftigung der Resolution wirkte. „Wir sind eben nicht nur Heidelandschaft und Heidekönigin“, sagte Moog-Steffens und erinnerte an die ehemalige Stadtmarketing-Chefin Resa Domurath, die das Projekt angeschoben hatte. Versöhnliche Worte zum Abschluss fand der Ratsvorsitzende. „Auch ich bin voller Wut, aber ich behalte es bei mir“, sagte Schirmer, „Wir müssen miteinander im Gespräch bleiben, um gut in Demokratie zu leben.“