Wo das Geld noch locker sitzt
Die Umstände der Turbo-Beförderung von Aynur Colpan, ehrenamtliche SPD-Kreisvorsitzende im Heidekreis und im Brotberuf seit rund einem Jahr Büroleiterin von Ministerpräsident Stephan Weil, sorgen für Unruhe in der Landespolitik. E-Mail-Protokolle, die der RND-Redaktion vorliegen, zeigen auf, dass die rasche Beförderung im Wege einer individuellen Änderungsvereinbarung kurz nach der Probezeit auch innerhalb der Landesregierung umstritten gewesen ist. Verbunden war die Beförderung mit einer sprunghaften erheblichen Gehaltsanhebung, die von der SPD offenbar gegen Widerstände aus dem grün geführten Finanzministerium durchgeboxt wurde. Von einer „Bezahlung nach Gutdünken“ und einem zu sorglosen, haushaltsrechtlich womöglich unzulässigen Umgang mit Steuergeldern sei intern die Rede gewesen (BZ vom 17. Februar: „Beförderung bringt Weil in Bedrängnis“). Sitzt das Geld in Niedersachsen zu locker, wenn es um Staatsdienerinnen und Staatsdiener in exponierten Positionen geht? Die Frage stellt sich nicht nur im Sonderfall der Büroleiterin des Ministerpräsidenten, mit dem sich jetzt auf Betreiben der CDU-Opposition im Landtag ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss befassen wird.
Auch die üppig ausgestalteten Pensionsregelungen für niedersächsische Bürgermeister und Landräte stehen seit längerem in der Kritik. Bereits nach einer einzigen Amtsperiode von fünf Jahren kommen sie laut niedersächsischem Beamtenversorgungsgesetz, Paragraf 4, in den Genuss einer Sofort-Pension – ausbezahlt bis zum Lebensende, unabhängig davon, ob sie nach ihrem Ausscheiden eine neue Anstellung finden oder nicht. Altersgrenzen oder eine Bedürftigkeitsprüfung kennt das Gesetz nicht. Die Mindesthöhe der Pension beträgt 35 Prozent der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge. Das entspreche je nach Größe der Gebietskörperschaft einem Monatssalär von rund 2.500 bis 4.270 Euro, rechnet der niedersächsisch-bremische Landesverband des Bundes der Steuerzahler (BdST) vor. „In keinem anderen Bundesland sind die Ruhestandsregelungen für kommunale Wahlbeamte so generös wie in Niedersachsen“, moniert der kommunale Spitzenverband.
So gesehen, waren die jüngsten Kommunalwahlen von September 2021 im Heidekreis für die Steuerzahler ein kostspieliges Vergnügen. In vier von 13 Rathäusern zogen neue Bürgermeister ein. In Soltau und Munster vollzog der Wechsel sich durch Abwahl, dort wurden Helge Röbbert und Christina Fleckenstein in den unfreiwilligen verfrühten Ruhestand geschickt. Und der bis dahin amtierende Landrat Manfred Ostermann wurde im Alter von 63 Jahren durch Abwahl daran gehindert, vor dem Beginn der regulären Alterspension noch eine letzte Amtsperiode zu absolvieren.
Landesregierung erwägt längere Amtsperiode
Ist das schnöde Nachrechnen legitim? Demokratie gibt es nicht zum Nulltarif. Wenn die anspruchsvollen Positionen an der Spitze von Gemeinde-, Stadt- und Kreisverwaltungen zu unattraktiv vergütet würden, bestünde die Gefahr, dass sich immer weniger qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber finden lassen, die sich den Knochenjob mit häufigen Abendterminen und unter ständiger öffentlicher Beobachtung noch antun – gerade in Zeiten, in denen Fach- und Führungskräfte in vielen Branchen händeringend gesucht und mit guten Konditionen geködert werden. Der Städte- und Gemeindebund wirbt daher mit Blick auf in der Wirtschaft gezahlte Löhne dafür, Spitzenposten im kommunalen Staatsdienst eher noch lukrativer auszugestalten. Die Landesregierung hat mit dieser Stoßrichtung angekündigt, die aktuell fünfjährige Amtsperiode von Landräten und hauptamtlichen Bürgermeistern zu verlängern. Die Bürgermeister der sechs Nordkreis-Kommunen des Heidekreises sprachen sich im vergangenen Jahr auf Nachfrage entschieden dafür aus (BZ vom 5. August 2023: „Fünf Jahre sind schlicht zu kurz“).
Der BdSt sieht dagegen jedenfalls beim sofort gewährten Ruhestandsgeld eine eklatante Überversorgung und fordert einen Kurswechsel. „Es sind theoretisch Fälle denkbar, in denen bereits ein 28-Jähriger nach einer vollen Wahlperiode ein lebenslanges steuerfinanziertes Ruhegehalt beziehen kann“, erklärt Bernhard Zentgraf. Der Diplom-Volkswirt und frisch gebackene Ruheständler, bis Jahresbeginn Vorsitzender des BdSt Niedersachsen-Bremen, gehört zu den schärfsten Kritikern der niedersächsischen Pensionsregelung für kommunale Wahlbeamte.
Die Diskussion hat nicht nur eine politische Ebene. Da Bürgermeister und Landräte Wahlbeamte sind, müssen alle Änderungen an ihrer Vergütung den strengen Maßstäben des deutschen Beamtenrechts genügen. Zwingend zu beachten sind laut Artikel 33 des Grundgesetzes die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“. Dazu gehören die amtsangemessene Versorgung und das Lebenszeitprinzip – einmal Beamter, immer Beamter. Das Leitbild einer lebenslangen Treuebeziehung zwischen Staat und Diener steht in einem Spannungsverhältnis zum Wahlbeamtentum, das durch das demokratische Prinzip der Machtverleihung auf Zeit gekennzeichnet ist. Hier setzen die Reformvorschläge des BdST Bremen-Niedersachsen an: Der Verband schlägt vor, die Ämter von Bürgermeistern und Landräten in Anlehnung an die Posten von Ministern und Parlamentarischen Staatssekretären abseits des Beamtenrechts zu gestalten.
Konkret hieße das: höherer Lohn, aber keine lebenslange steuerfinanzierte Pension nach kurzer Amtszeit. Mehr Eigenverantwortung für die Altersvorsorge. Das entspreche dem veränderten, stärker politisierten Amtsverständnis. Diese Debatte wird auch in der Wissenschaft geführt. „Angesichts der Direktwahl des Bürgermeisters durch das Wahlvolk nach den Grundsätzen des Artikel 38 Absatz 1 Grundgesetz und seiner ebenfalls vom Wahlvolk initiierbaren und durchsetzbaren Abwahl lässt sich fragen, ob die Ausgestaltung des Amtes als Beamter noch sachgerecht ist", heißt es etwa in einem 2022 in der Fachzeitschrift für Beamtenrecht publizierten Aufsatz des bekannten Rechtsprofessors Ulrich Battis.