Neue Realität: Arztsuche im Radius von 100 Kilometern
Als Dorothea Smula die Überweisung ihrer Hausärztin in den Händen hält, weiß sie, dass es kompliziert wird. Den Facharzt, den sie zur Abklärung einer Hauterkrankung aufsuchen soll, gibt es in Munster nicht mehr. Der einzige ansässige Dermatologe, Dr. Gerold Montag, ist im Juni in den Ruhestand gegangen. Für die Praxis an der Bahnhofstraße wurde kein Nachfolger gefunden. Munster hat in diesem Jahr gleich zwei Facharztpraxen verloren, neben dem Hautarzt traf es eine Frauenarztpraxis. Ärztemangel auf dem Land. Am Kaffeetisch des Ehepaars Smula wird er sehr konkret.
Dorothea Smula rief bei zwei Hautärzten in Soltau an. Freundlich seien die Damen am Telefon gewesen, berichtet die Seniorin. Helfen konnten sie nicht. Neue Patienten würden nicht mehr angenommen. „Da habe ich begriffen: Meine Frau hängt in der Luft“, erinnert sich Detlef Smula an den Moment, als ihm klar wurde, dass der medizinisch gebotene Facharztbesuch seiner Frau zur Herausforderung wird. „Dabei geht es uns noch gut“, sagt er. Die Smulas sind 78 Jahre alt und planen gerade ihren Sommerurlaub. Viele in dem Alter sind weniger mobil. Auch das Ehepaar macht sich Gedanken. Wie lange werden sie noch so mobil sein, dass sie notfalls lange Strecken zum Arzt zurücklegen können? Dass sich noch einmal ein neuer Hautarzt in Munster niederlässt, glauben sie nicht. Eher würden weitere Ärzte in den Ruhestand gehen.
Veraltete Ärzteschaft: „Die Politik lässt es laufen"
Laut Kassenärztlicher Vereinigung liegt der hausärztliche Versorgungsgrad Munsters noch auf einem guten Niveau. Rechnet man die Ärzte im Alter von 63 Jahren oder älter raus, sinkt der Versorgungsgrad aber auf kritische 65,6 Prozent. Die Politik lasse es laufen, klagt Detlef Smula.
Dem Paar bleibt nur, sich mit der Situation zu arrangieren. „Wir sind nicht die einzigen mit dem Problem“, weiß Detlef Smula aus Gesprächen. Viele machten sich Sorgen, aber kaum jemand gehe an die Öffentlichkeit oder wende sich an die Politik und Verwaltung. Das Wegbrechen ärztlicher Versorgung treffe die „Seniorenstadt" Munster hart, sagt Detlef Smula.
Notfalls zum Arztbesuch nach Bremen
Die Smulas gehen bei der Arztsuche jetzt generalstabsmäßig vor. Detlef Smula hat auf einem Plakat Orte in einem Entfernungsradius bis zu rund 100 Kilometern eingezeichnet. Seine Frau telefoniert die Hautärzte dort systematisch ab. Die Urlaubszeit macht es nicht einfacher. Aktuell hoffen sie auf Lüneburg oder Bad Fallingbostel. Spätestens in Bremen soll die Suche enden. Dort lebt ein Sohn der Smulas, über ihn könnte Dorothea Smula einen Arzttermin ergattern. Eine theoretische Alternative wäre, die Notaufnahme des Heidekreis-Klinikums in Anspruch zu nehmen. Die hat aber eigentlich andere Aufgaben. „Wir hätten ein schlechtes Gewissen, dort hinzugehen“, sagt Detlef Smula.