Ratsherr Kalis und die Ammerseebahn
Michael Kalis ist viel mit der Bahn unterwegs. Der Inhaber einer Bahncard 100 kennt Strecken in ganz Deutschland. Nicht nur die prestigeträchtigen superschnellen ICE-Verbindungen zwischen den Metropolen, sondern auch die eher glanzlosen Strecken des Nahverkehrs, mit Snack-Automaten statt Speisewagen und Haltepunkten in Orten, die die meisten Menschen erst einmal googeln müssen. Zum Beispiel Utting.
Der Bahnhof Utting liegt am Ammersee im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech und wird von der Bayerischen Regiobahn-Gesellschaft, einer hundertprozentigen Tochter des in Berlin ansässigen privaten Eisenbahnunternehmens Transdey bedient. Eine Tour mit der Ammerseebahn, die den kleinen Bahnhof im Stundentakt anfährt, ist „landschaftlich sehr abwechslungsreich, mit schönen Blicken auf den Ammersee und die Alpenkette“, heißt es im Streckenportrait des Fahrgastverbands Pro Bahn. Kalis nutzte die Bahnverbindung allerdings nicht als Tourist, er war beruflich unterwegs. Der erfahrene Lokalpolitiker und ehemalige Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums hatte einen Lehrauftrag im Bildungszentrum Holzhausen, einer Einrichtung der Bayerischen Verwaltungsschule (BVS), zu erfüllen.
Die Schule liegt direkt an den Gleisen der Ammerseebahn – doch es gibt dort keinen Bahnhof. Besucher müssen bis Utting fahren. Die Taxifahrt von dort ins Bildungszentrum kostet zehn Euro, berichtet Kalis. Der parteilose Ratsherr aus dem fernen Wietzendorf ärgerte sich darüber und verfasste eine Petition. Diese schaffte es bis zur Beratung im Verkehrsausschuss des Landtags, die Landsberger Lokalausgabe der Augsburger Nachrichten berichtete groß über einen „möglichen Bahnhalt in Holzhausen“ und fragte verdutzt: „Warum beschäftigt sich ein Kommunalpolitiker, der mehr als 700 Kilometer entfernt von Holzhausen lebt, mit der Ammerseebahn?“ Jedenfalls nicht deshalb, weil es im Bahnverkehr daheim nichts zu beanstanden gibt, möchte man spontan Richtung Oberbayern antworten.
Heidebahn ist „echte Katastrophe“
Vielfahrer Kalis kennt die vielen kleinen und großen Probleme der Bahn. Die heimische Heidebahn sei aber ein Sonderfall. „Eine echte Katastrophe, die absolute Spitze im negativen Sinne“, sagt Kalis. Zustände wie auf dem Heidekreuz habe er bislang in keinem anderen Bundesland erlebt. Auch bei seiner jüngsten Bahnfahrt nach Berlin habe es innerhalb der Hauptstadt Probleme gegeben, räumt er ein. Die seien aber weniger gravierend – und vor allem: „In einer Großstadt gibt es immer Alternativen.“
Die Verantwortung für die Zustände auf der Heidebahn, wo auf der Linie RB 37 seit dem 14. Juni ein Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet ist, sieht Kalis nicht allein beim Streckenbetreiber Start Niedersachsen Mitte. Er wirft auch der Landesnahverkehrsgesellschaft Versäumnisse vor. Es ist nicht so, dass der Kommunalpolitiker sich für eine bessere Ammerseebahn engagiert, die Heidebahn aber ignoriert. „Ich habe der Niedersächsischen Landesregierung einen bitterbösen Brief geschrieben“, berichtet Kalis. Anders als in Bayern hat seine Intervention in Niedersachsen aber bislang keine Reaktion ausgelöst. Auf eine Antwort aus Hannover wartet der Ratsherr noch.