Von der Technikschau zum „richtigen Museum“
Um Energie einzusparen, legt das Deutsche Panzermueseum (DPM) über den Jahreswechsel eine ungewöhnlich lange Pause ein. Seit 1. Dezember stehen Museumsbesucher vor verschlossenen Türen. Die neue Saison beginnt erst am 1. Februar. Die zwei Monate ohne Publikumsverkehr dienen indes nicht nur dazu, angesichts gestiegener Energiepreise die klammen städtischen Kassen zu entlasten. Das Museum nutzt die Zeit auch zu einer Generalüberholung seiner Dauerausstellung, die nun erstmals einen eigenen Namen bekommt: „Das Jahrhundert der Panzer“. „Das ist ein wichtiger Entwicklungsschritt hin zu einem richtigen Museum“, frohlockt Museumsdirektor Ralf Raths.
Raths steht gehörig unter Strom, im Panzermuseum herrscht reges Treiben. „Heute ist der Tag“, sagt er zur Begrüßung – ein Tag, an dem jahrelange Überlegungen einen gewissen Abschluss finden. 58 neue Text- und Medientafeln werden beklebt und an ihren sorgsam ausgewählten Standorten in den großen Ausstellungshallen in Szene gesetzt. Text für Text, Bild für Bild entsteht das, was dem Haus bislang fehlte: eine Erzählung. Sie beginnt bei den Weltkriegen, setzt sich fort über den Kalten Krieg und endet in der Gegenwart und einem Ausblick auf die Zukunft. Künftig sollen auch Besucherinnen und Besucher ohne militärisch-technische Vorkenntnisse das Museum klüger verlassen als sie es betreten haben.
Raus aus der Nische
„Die Masse der Gäste sind heute Ungediente“, verweist Raths auf den Wandel der Gesellschaft und das gestiegene Interesse am Thema Panzer. Früher wusste jeder, der das sehr spezielle Militär- und Technikmuseum in der Bundeswehrstadt Munster aufsuchte, was eine Kompanie ist oder welche Rolle Panzer im Gefecht spielen. Inzwischen kommen viele militärische Laien. Neugierige, auch kritische Zivilisten. Das ist eine Chance fürs Museum, ein Weg raus aus der Nische. Es sei an der Zeit, findet Raths, nach 40 Jahren reiner Technikschau endlich stärker „das Allgemeine“ zu vermitteln.
Das neue Konzept reifte rund zehn Jahre. Ganz intensiv und stets konstruktiv stritten Raths, die Museumsmitarbeiterinnen Julia Engau, Laura Haendel und Constanze Seifert-Hartz sowie Oberstleutnant Thomas Kielholt von der Bundeswehr-Lehrsammlung der Panzertruppenschule in den vergangenen zwei Jahren um die Neuerungen. Das Konzept, auf das sie sich verständigten, mutet Besuchern durchaus etwas zu. Integriert sind nun auch drastische Bilder, die den Schrecken des Krieges unverblümt zeigen und Panzer weniger als Technikwunder denn als Tötungsmaschine präsentieren.
„Voyeure, ob wir wollen oder nicht"
„Aber in die Erschütterung beim Betrachten der Nahaufnahme eines wirklichen Schreckens mischt sich Beschämung“, schreibt die Schriftstellerin Susan Sontag in ihrem 2003 veröffentlichten Essay „Das Leiden anderer betrachten“. „Vielleicht haben nur jene Menschen das Recht, Bilder eines so extremen Leidens zu betrachten, die für seine Linderung etwas tun könnten – etwa die Chirurgen des Militärhospitals, in dem die Aufnahme gemacht wurde, oder Menschen, die aus ihr etwas lernen könnten. Wir anderen sind, ob wir wollen oder nicht, Voyeure.“
Der Zwiespalt zwischen Verharmlosung des Schreckens durch Weglassen drastischer Bilder auf der einen und einer Verletzung der Würde von Gewalt- opfern durch unangenehmen Voyeurismus auf der anderen Seite lässt sich nicht auflösen. Schockbilder seien für Museen ein schwieriges Thema, sagt Ralf Raths. In der neuen Dauerausstellung werden einige solcher Aufnahmen allerdings ihren Platz finden, sagt der Direktor des Deutschen Panzermuseums. Hinter einem Sichtschutz verborgen, kann jeder Besucher selbst entscheiden, ob er sich dem aussetzen möchte oder nicht.
„Die Bilder werden außerdem so hoch gehängt, dass kleine Kinder da nicht rankommen“, sagt Raths. Zugleich dürfen sie aber auch nicht zu hoch hängen, sonst könnten Menschen im Rollstuhl sie nicht ohne Hilfe anschauen. Bei der Gestaltung der neuen Dauerausstellung gibt es viel zu bedenken – inhaltlich, aber auch ganz praktisch. Es geht um Barrierefreiheit, um Sichtachsen, um die richtige Balance zwischen nüchterner technischer Beschreibung und emotionalen Elementen wie Opferzahlen oder eben den Bildern vom Sterben im und durch Panzer. Auch die Verbrechen der Nationalsozialisten müssen Raum finden, ohne dass das Museum den Fokus auf sein eigentliches Thema, den Panzer, verliert.
Jeder Handgriff an den neuen Folien muss sitzen
Montag war ein entscheidender Tag für das Museum. Mitarbeiter des Unternehmens Hackel Design waren um 4 Uhr in Würzburg losgefahren, um am Vormittag in Munster zu sein. Im Gepäck: Folien für die Gestaltung von 58 Text- und Medientafeln. Es ging nicht nur darum, dem Panzermuseum Ware zu liefern. Die Fachleute aus dem Fränkischen sorgten unentgeltlich dafür, dass das blasenfreie Aufkleben der Motive auf die Tafeln glückte. Es waren fast feierliche Momente, wenn wieder ein Objekt fertig wurde. Denn jede Folie war nur einmal vorhanden. Jeder Handgriff musste sitzen, es gab keinen zweiten Versuch.
Die wuchtigen Kettenfahrzeuge bleiben die Hingucker der Ausstellung, doch zwischen ihnen hindurch schlängelt sich jetzt eine militärische Geschichte, dargestellt anhand von Texten und Bildern. Es geht um Kriege, aber auch um die Kulturgeschichte des Panzers bis hin zur Herleitung des Wortes vom lateinischen pantex (Bauch). Die neue Dauerausstellung bietet so verschiedene Zugänge zum Thema. Inklusiv will sie sein, möglichst jeden mitnehmen und ansprechen. Das äußert sich auch im Bemühen um geschlechtergerechte Sprache. Das Museum nutzt das Gendersternchen – eine umstrittene Entscheidung, die im Internet bereits einen kleinen Shitstorm ausgelöst hat.