Flucht aus der Ukraine: Fakten aus dem Heidekreis
Der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Fluchtbewegung aus dem Land hat nicht nur die unmittelbaren Anrainer-Staaten der Europäischen Union wie Polen und Rumänien herausgefordert, sondern wie zuvor bereits berichtet eine Dynamik entwickelt, die auch den Heidekreis herausfordert.
772 primär Frauen und Kinder im nördlichen Heidekreis
Allein im Altkreis Soltau sind offiziell 772 Ukrainerinnen und Ukrainer, vor allem Frauen und Kinder vorübergehend untergekommen. In Bispingen sind 70 Geflüchtete aus dem Kriegsland registriert, von denen 15 privat, 19 in Ferienwohnungen und 36 in sonstigem Wohnraum untergebracht werden konnten, beziehungsweise selbst für eine entsprechende Unterkunft gesorgt haben. In Munster sind es 136 Geflüchtete, die abgesehen von den 40 auf Gut Orla in Oerrel Untergekommenen privat ihre vorübergehende Heimstatt gefunden haben. Die jüdische Gemeinde Hannover hatte zu diesem Zweck das Gut vorübergehend angemietet.
In Neuenkirchen sind es 94 Personen, von denen 10 auch in Pensionen und Hotels untergebracht worden sind, während die 35 privat und 16 in Ferienwohnungen sowie weitere 6 in Sammelunterkünften ein Dach überm Kopf haben. In Schneverdingen sind die 156 registrierten Geflüchteten privat untergekommen. Wietzendorf hat mit 26 Personen ein eher überschaubares Kontingent aufgenommen, von denen 18 in Ferienbehausungen und 8 privat untergebracht sind. In Soltau sind 290 Personen untergekommen, davon zwei Drittel in privaten Haushalten.
Hohe Dynamik: Ukrainer zwischen Ankunft und Rückreise
Verlässlich sind die Daten nicht, da eine gewisse Dynamik bei den Geflüchteten herrscht, die nach Möglichkeit auch in das Umfeld von Angehörigen gelangen möchten. „Einerseits haben wir Kenntnis von ersten Personen, die bereits wieder in die Heimat reisen, andererseits werden möglicherweise Familienangehörige nachkommen“, begründet beispielsweise Neuenkirchens Bürgermeister Carlos Brunkhorst die Dynamik.
Auch womöglich unterlassene Registrierungen bedeuten eine leichte Unwägbarkeit der Daten. Bislang wurde offensichtlich noch für jeden Geflüchteten eine Lösung gefunden. Doch der Blick der Kommunen geht über die Unterbringung deutlich hinaus, die Verwaltungen haben bereits die Integration im Blick. So sucht Soltau langfristig Wohnraum für Ukrainer, die langfristig bleiben wollen.
Geflüchtete sind jung, weiblich und berufstätig
Bis zum 11. April sind laut Bundesregierung mehr als 331.600 Einreisen von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine dokumentiert. Staatsbürger des Landes können ohne Visum in die EU einreisen und sich in EU-Mitgliedstaaten des Schengen-Raums frei bewegen.
84 Prozent der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind Frauen, 58 Prozent sind gemeinsam mit ihren Kindern geflüchtet. Das hat eine Befragung durch das Bundesinnenministerium von 2000 Geflüchteten ergeben. Das durchschnittliche Alter liegt bei 38 Jahren. 92 Prozent der Befragten waren in der Ukraine berufstätig oder in der Ausbildung.
Im Altkreis Soltau wird auf Integration hingearbeitet
Die Kommunen der Heideregion haben im Zusammenhang mit den aus der Ukraine Geflüchteten einige Herausforderungen zu meistern, die über die reine Unterbringung hinausgehen. Die Kommunalverwaltungen nehmen die Integration ins Blickfeld.
In Soltau geht es laut Bürgermeister Olaf Klang zunächst um die Herausforderung einer zeitnahen Leistungsgewährleistung, die Integration in Schulen und Kitas, Sprachförderung und vor allem auch noch um die Bewältigung der Anfrage- und Informationsflut durch die Verwaltung.
In Munster läuft die Aufnahme in Schulen laut Bürgermeister Ulf-Marcus Grube gut, während die Kita-Problematik noch ungelöst ist. Ehrenamtliche Lösungen würden im Bürgerhaus gebündelt. „Während der Sprachkurse für die Geflüchteten im Bürgerhaus übernimmt das Mütterzentrum die Betreuung der Kleinen“, berichtet Grube beispielhaft. Integration und Kita-Plätze sind laut Bürgermeister Jörg Peters auch die zentralen Herausforderungen in Wietzendorf.
Demgegenüber ist die größte Herausforderung in Bispingen laut Bürgermeister Dr. Jens Bülthuis die Unterstützung derjenigen Familien, die privat Geflüchtete aufgenommen hätten und „in der Begleitung an ihre Grenzen geraten“.
In Neuenkirchen will man vor allem die Kommunikation in den Griff bekommen, den Spracherwerb über angebotene Deutschkurse vorantreiben. „Das ist auch grundlegende Voraussetzung für nahezu alle Beschäftigungsmöglichkeiten, nach denen viele Geflüchtete fragen“, so Carlos Brunkhorst, Bürgermeister im Sticht.
Um die Integration umfassend zu koordinieren, hat die Stadt Schneverdingen einen runden Tisch „Bildung“, einen runden Tisch „Sozialraum“ und einen offenen Treff „Hand in Hand“ initiiert. Schulen, Kitas und die über Kommune inklusive bereits koordinierten ehrenamtlichen Kräfte wie Mehrgenerationenhaus, Stadtjugendring oder etwa Diakonieverein werden dabei direkt von der Verwaltung eingebunden.
Die Kommunen der Heideregion vermitteln auf Nachfrage der BZ einen auf die Aufgabe konzentrierten Eindruck, der trotz einiger Probleme im Detail weder Chaos noch Überforderung herausblicken lässt. Entlastend dürfte dabei gewirkt haben, dass ein Großteil der Geflüchteten sich privat um Aufnahme gekümmert hat, die Kommunen aber auch von den Erfahrungen aus der Flüchtlingskrise 2015/16 profitieren.