Bloß keine Sozialromantik
Der Wahlkreis Rotenburg I/Heidekreis gehört zu den spannenderen in Deutschland. Auch überregionale Medien interessieren sich dafür, ob der prominente SPD-Mann Lars Klingbeil sein Direktmandat im traditionell schwarzen, überwiegend ländlich-konservativ strukturierten Wahlkreis verteidigen kann. „Bei mir rufen Journalisten aus Berlin an“, berichtet CDU-Herausforderer Carsten Büttinghaus.
Für den 38-Jährigen, seit 2013 Parteimitglied, eine neue Erfahrung. Büttinghaus hatte noch nie ein politisches Mandat inne. Seine Kandidatur für den Bispinger Gemeinderat auf dem letzten Listenplatz der CDU war eher pro forma. „Ich bin kein Postensammler“, sagt er.
Innerhalb der CDU wird der Wilseder indes schon länger als jemand gehandelt, der für die Partei was reißen könnte. Als es im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 in den Kreisverbänden Heidekreis und Rotenburg um die Frage ging, wer nach dem Ausscheiden des langjährigen CDU-Bundestagsabgeordneten Reinhard Grindel als Nachfolger im Wahlkreis antreten soll, fiel auch sein Name. Am Ende entschied man sich für die glücklose Kathrin Rösel, der Nachrückerin Grindels im Bundestag.
Spiel auf Sieg, nicht auf Platz
Auch in diesem Jahr warf neben Büttinghaus eine Frau ihren Hut in den Ring, Marsha Weseloh aus Scheeßel. Die Parteimitglieder hatten die Wahl und votierten klar für Büttinghaus als ihren Direktkandidaten für Berlin. Und ein Versprechen, das Büttinghaus seiner Partei gegeben hat, ist bereits eingelöst: Der Kandidat hat sich nicht geschont im Wahlkampf, hat Klinken geputzt und sich bekannt gemacht. Seine Plakate hängen gefühlt überall, auf Feldern stehen große Bauzaunbanner mit seinem Konterfei. Er verteilte erst selbstgemachte Marmelade, später von Landwirten gespendete Kartoffeln. Büttinghaus spielt nicht auf Platz, sondern auf Sieg.
Politisch steht Büttinghaus, der 1982 im thüringischen Rudolstadt das Licht der Welt erblickte, für einen modernen, aber auch sehr bodenständigen Konservativismus. Seine Haltung hat viel mit seiner Biografie zu tun, der Kindheit in einem Forsthaus im Wald, der Jagd, der Arbeit als Polizist. Politisch in der Mitte zu stehen, mit einer gewissen Skepsis gegenüber zu großen politischen Entwürfen und zu schlichten Weltbildern, hat für ihn eine nicht nur symbolisch-abstrakte Seite.
Er weiß wie es ist, als Polizeibeamter ganz buchstäblich in der Mitte zu stehen, zwischen den Extremen. Auf der einen Seite demonstrierende Nazis, auf der anderen wütende Linksradikale, die mit Flaschen werfen. Büttinghaus und seine Leute dazwischen, innig gehasst von beiden Seiten. Sowas prägt.
Büttinghaus lebt idyllisch inmitten der Heide, wer ihn per Auto besuchen möchte, braucht dafür eine Sondererlaubnis oder riskiert ein Bußgeld. In scharfen Kontrast zur Idylle kennt er als Polizeibeamter die Straße, die rohe Gewalt, die kriminellen Subkulturen, all das, was normalerweise nicht zur bürgerlichen Welt der CDU gehört. „Ungefiltert“ sei diese Realität, so sagt es Büttinghaus. Linken Großstädtern wirft er gerne vor, diese Realitäten, wenn sie nicht ins eigene Weltbild passen, zu ignorieren und sich in „Sozialromantik“ zu verlieren. Solche und ähnliche Sprachbilder nutzt er oft und gern.„Ideologie und Politik verträgt sich nicht“ ist vielleicht der Büttinghaus-Satz, der den Kern seines Selbstverständnisses am knappsten auf den Punkt bringt.