Einstieg in Dauersubvention?
Von Michael Hertel
Soltau/Walsrode. Jahresend-Rallye in Sachen Heidekreis-Klinikum (HKK): Kurz vor Weihnachten spannte der Kreisausschuss den Zwei-Millionen-„Rettungsschirm“ für das klamme Klinikunternehmen auf. Wenige Tage zuvor hatte der Kreistag drei Millionen Euro als Eigenkapital-Aufstockung für 2014 beschlossen. Und unbemerkt von der Öffentlichkeit – und vermutlich auch der meisten Kreistagsabgeordneten – legte das Heidekreis-Parlament die Basis für eine mögliche Dauersubvention des HKK.
Nur den wenigsten Kreistagsabgeordneten schien der unter einer riesigen Tagesordnung versteckte Tagesordnungspunkt (TOP) 24 („Betrauungsakt für die Heidekreis-Klinikum GmbH“) von Bedeutung oder irgendwie auffällig zu sein. Eine Debatte jedenfalls gab es nicht – die Volksvertreter nickten den Punkt ohne Aussprache ab. Der CDU-Fraktionsvorsitzende und HKK-Aufsichtsratsvorsitzende Hermann Norden: „Das ist einfach eine notwendige Formalie, ein lästiger Akt.“ Nur dem ehemaligen Schneverdinger Bürgermeister Fritz-Ulrich Kasch (FDP) schien die Sache gar nicht zu schmecken. Er setzte sich demonstrativ in den Zuschauerraum, nahm an der Abstimmung über TOP 24 nicht teil und erklärte sibyllinisch: „Wenn ich an der Abstimmung teilnehmen wollte, müsste ich zuvor einige Fragen stellen, die ich aber in öffentlicher Sitzung wohl besser nicht stelle.“ Weitere Erklärungen dazu wollte Kasch zunächst nicht abgeben.
Auf Nachfrage erklärte Hermann Norden: „Immer dann, wenn kommunale Unternehmen einen Zuschuss erhalten, muss ein solcher Betrauungsakt vorgenommen werden, um aus Wettbewerbsgründen nicht später das Geld zurückzahlen zu müssen.“ Näheres zum „Betrauungsakt“ erfuhr die BZ von dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Andreas Schriefers, dessen Kanzlei für kommunales und privates Wirtschaftsrecht auf Rechts-, Steuer- und Steuerungsfragen des öffentlichen Raumes spezialisiert ist: Mit dem EU-Binnenmarkt sind Beihilfen nur eingeschränkt vereinbar, da Beihilfen jeglicher Art grundsätzlich eine Begünstigung bestimmter Unternehmen darstellen und zu einer Wettbewerbsverfälschung führen können. Beihilfen werden beispielsweise in Form von Verlustausgleichszahlungen, Zuschüssen, Kapitaleinlagen, Darlehen, Bürgschaften, Ergebnisabführungs- und Geschäftsbesorgungsverträgen beziehungsweise Dienstleistungsaufträgen oder den Verzicht auf angemessene Verzinsung gewährt. Schriefers: „Diese Vereinbarkeit kann bei großen Summen durch eine entsprechende Anmeldung – Notifizierung – bei der EU, bei kleineren Beträgen durch die Vornahme eines Betrauungsaktes des jeweiligen Unternehmens mit einer bestimmten Aufgabe – im Falle HKK wäre das wohl die Gesundheitsversorgung im Landkreis – hergestellt werden.“
Eine Betrauung kann sowohl für eine einzelne Zahlung, wie auch pauschal für einen längeren Zeitraum von bis zu zehn Jahren erfolgen. Im Falle des HKK wählte der Kreistag die höchst mögliche Geltungsdauer. Somit kann der Landkreis dem Klinikunternehmen in den nächsten zehn Jahren finanziell unter die Arme greifen und setzte damit eine schon bislang geübte Praxis fort. So einfach der „formale Akt“ auf den ersten Blick erscheint, so birgt er doch einige Stolperfallen. Schriefers: „Die Betrauung muss vor der Gewährung der Beihilfe erfolgen, kann also grundsätzlich keine Zahlungen legitimieren, die vor dem Beschluss erfolgt sind.“ Genau auf diesen Schwachpunkt weist auch das Gutachten hin, das die Kreistagsabgeordneten als Vorlage zu TOP 24 erhielten.
Beihilfeartige Zahlungen
Wie sind nun beihilfeartige Zahlungen zu behandeln, die vor einem Betrauungsakt erfolgt sind? Dazu Schriefers: „Sollte es sich bei solchen Zahlungen tatsächlich um bislang nicht angemeldete oder nicht genehmigte Beihilfen gehandelt haben oder eine ansonsten nicht rechtswirksame Betrauung vorgelegen haben, wären diese Zahlungen – vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – nichtig. Ein konkurrierendes Unternehmen beispielsweise könnte dann bis zu zehn Jahre nach erfolgter Zahlung wegen fehlender Beihilfekonformität klagen. Es droht die Rückforderung des Geldes plus möglicher Schadensersatzforderungen und aufgelaufener Zinsen, gleichgültig, ob das Geld noch vorhanden oder bereits verbraucht ist.“
Und es kommt noch dicker: Laut Schriefers könnten derartige Rückzahlungen nur eingeschränkt aus Haushaltsmitteln oder durch einen von der Kommune aus Anlass einer Rückforderungspflicht aufgenommenen Bankkredit geleistet werden: „Das dürfte in den allermeisten Fällen gegen das jeweils geltende Kommunalrecht verstoßen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann eine persönliche Haftung von Geschäftsführern oder Betriebsleitern für die Rückforderung nicht ausgeschlossen werden, weil – so die Gerichte – das Wissen um beihilferechtliche Vorgaben zum Grundwissen eines Geschäftsführers gehört.“ Dies beträfe die jetzt zum Jahresende ausscheidenden Geschäftsführer Norbert Jurczyk und Peter Lehmann.
Ob aber in den vergangenen Jahren nicht legitimierte Beihilfen an das zuletzt stark defizitäre Krankenhausunternehmen geflossen sind, können letztlich nur Gerichte entscheiden. Zur Erinnerung: Das HKK schrieb für das Jahr 2011 rund 5,8 Millionen Euro Verlust und 2012 im operativen Geschäft etwa vier Millionen, erhielt 2012 vom Landrat eine Kreditlinie von sechs Millionen Euro eingeräumt (wovon laut Aufsichtsrat etwa drei Millionen Euro verbraucht worden sein sollen), musste von 2012 auf 2013 einen Eigenkapitalverlust von mindestens 2,7 Millionen Euro hinnehmen und erhielt jüngst den im September beschlossenen sogenannten „Rettungsschirm“ in Höhe von zwei Millionen Euro ausgezahlt (von dem Landrat Ostermann noch vor drei Monaten behauptete, das Geld solle nur für den „absolut unwahrscheinlichen Fall eines Liquiditätsengpasses“ auf dem HKK-Konto geparkt werden). Im Dezember schließlich stimmte der Kreistag einer Kapitalerhöhung um drei Millionen Euro im Jahr 2014 zu.
Der FDP-Kreistagsabgeordnete Fritz-Ulrich Kasch sieht denn auch nicht nur das HKK als Fass ohne Boden, sondern fürchtet durch den erfolgten Betrauungsakt „den Einstieg in eine Dauersubvention des HKK in den nächsten zehn Jahren“. Dies allerdings wird von Norden vehement bestritten: „Wir haben den Betrauungsakt für zehn Jahre beschlossen und damit die rechtlichen Voraussetzungen für Zahlungen geschaffen. Im Grunde genommen stellen wir jetzt relativ große Beträge zur Verfügung. Aber wir wissen natürlich alle nicht, wie es im nächsten Jahr aussieht ...“