Zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich im Abfall
Erschreckende Zahlen hat eine Untersuchung des Johann Heinrich von Thünen-Instituts (TI) im Auftrag des Bundesernährungsministeriums zutage gebracht. In der Studie "Lebensmittelabfälle in Deutschland – Baseline 2015" kamen die Wissenschaftler zusammen mit Kollegen der Universität Stuttgart im September 2019 zu dem Ergebnis, dass jeder Verbraucher und jede Verbraucherin etwa 75 Kilogramm Lebensmittel im Jahr wegwirft. Etwas weniger pro Person wird noch einmal in den anderen Sektoren der Lebensmittelherstellung und des -vertriebs vernichtet. Neuere Studien liegen nicht vor. Aktuellere Zahlen werden laut Dr. Thomas Schmidt, Mitverfasser der Studie, im Sommer dieses Jahres vorgelegt.
Die Gesamtmenge der Lebensmittelabfälle (Frischmasse) beträgt danach rund zwölf Millionen Tonnen. Die Wissenschaftler schlüsselten diese Menge nach den Stationen der Lebensmittelversorgungskette auf. Die Primärproduktion hat daran einen Anteil von 12 Prozent (1,4 Millionen Tonnen). Bei der Verarbeitung fallen 18 Prozent (2,2 Millionen Tonnen) an. Im Handel entstehen 4 Prozent (0,5 Millionen Tonnen) der Lebensmittelabfälle. Bei der Außer-Haus-Verpflegung fallen 14 Prozent (1,7 Millionen Tonnen) der Abfälle an. Der Großteil der Lebensmittelabfälle entsteht mit 52 Prozent (6,1 Millionen Tonnen) in privaten Haushalten. Zu deren Abfällen zählen neben übrig gebliebenen Speiseresten zum Beispiel auch Nuss- und Obstschalen sowie Knochen.
56 Prozent der Abfallmenge sind vermeidbar
Das Ergebnis der Studie beruht auf Zahlen und Schätzungen aus dem Jahr 2015. Es handelt sich um Mittelwerte. Wenn man die oberen Zahlen der Bandbreite nimmt steigt die Menge der weggeworfenen Lebensmittel sogar von 11,86 auf 13,43 Millionen Tonnen. Das Thünen-Institut geht davon aus, dass von den knapp 12 Millionen Tonnen weggeworfenen Lebensmitteln 6,68 Millionen Tonnen, also gut 56 Prozent, vermeidbar sind.
Die Studie soll die Datengrundlage für die „Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ liefern, die die Bundesregierung im Februar 2019 beschlossen hat. Sie folgt damit auch der Vorgabe des sogenannten delegierten Beschlusses (entspricht einer deutschen Rechtsverordnung) der EU-Kommission vom 3. Mai 2019, in dem eine gemeinsame Methodik und Mindestqualitätsanforderungen für die einheitliche Messung des Umfangs von Lebensmittelabfällen gefordert werden.
Strategie zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat unter dem Motto „Zu gut für die Tonne“ eine Strategie zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen in die Wege geleitet. Dazu hat das Ministerium am 4. März 2020 mit den betroffenen Verbänden entlang der Lebensmittelversorgungskette eine Grundsatzvereinbarung getroffen. Ziel ist es, auf Handels- und Verbraucherebene bis 2025 eine Verringerung der Lebensmittelabfälle um 30 Prozent und bis 2030 um 50 Prozent zu erreichen. Handlungsfelder der Strategie sind vier Punkte (Stand: 25.3.2021): die Bildung verschiedener Gremien für die zukünftige Zusammenarbeit, die Prozessoptimierung in der Wirtschaft sowie die Verhaltensänderung bei allen Akteuren unter anderem durch Qualifizierung von Lehrkräften, Entwicklung von Informations- und Lehrmaterialien und die Schulung von Unternehmensmitarbeitern. Vierter Punkt ist die Entwicklung digitaler Lösungen zum Beispiel bei intelligenten Verpackungen, zur Erstellung von Nachfrageprognosen und bei Messsystemen zur Erfassung von Lebensmittelabfällen. Vom 29. September bis 6. Oktober findet unter dem Motte „Deutschland rettet Lebensmittel“ eine bundesweite Aktionswoche statt.